bearbeitet: 10.06.2022     

Die deutsche Politik und der Antiautoritarismus

In der Pädagogik ist die sogenannte antiautoritäre Erziehung seit Jahrzehnten als falsche Methode erkannt, und ihre Zweckmäßigkeit ist sowohl theoretisch als auch praktisch widerlegt. Dennoch gibt es keine Abkehr von dieser Methode. Im Gegenteil. Eine große Anzahl Mütter will mit ihren Kindern, die noch sehr klein sind, "auf Augenhöhe" verhandeln, was schon rein geometrisch ein Problem ist, und wollen sie mit einer Methode erziehen, die man frühestens im Erwachsenenalter anwenden kann. An die Kinder werden keine Forderungen mehr gestellt, stets werden sie gefragt, ob sie dies oder jenes möchten. Das aber ist nicht die Erziehung zur freien Meinungsbildung sondern zum egoistischen Aufbegehren gegen notwendige Regeln im Leben wie in der Familie. Die Kinder lernen so nicht, sich in eine Gemeinschaft einzuordnen, stets wollen sie ihren eigenen Willen gegen alles und jedermann durchsetzen, auch gegen die Eltern. Andererseits wollen Eltern ihre Kinder so behüten und beschützen, daß sie keinerlei Raum für selbständiges Denken und Handeln zur Verfügung haben. Der Weg in die Zukunft wird den Kindern nicht gezeigt, er wird ihnen mit allen Mitteln freigeräumt. Die Heranwachsenden müssen nicht mehr denken, nicht mehr selbst ihren Weg finden, die Eltern nehmen ihnen das ab. Der pädagogische Grundsatz, Erziehung ist eine Einheit von Überzeugung und Zwang, wird unterlaufen, indem die Komponente des Zwangs beseitigt wird. Das aber ist wohl eher als das Ausweichen vor der notwendigen Auseinandersetzung zu werten, in der die Eltern ihre intellektuelle Reife zeigen müßten. Bedauerlicherweise sind manche damit völlig überfordert. Das alles ist in der Wissenschaft längst bekannt, aber diese Erkenntnisse werden in der heutigen Gesellschaft mehrheitlich unberücksichtigt gelassen.

Mehr noch. Diese antiautoritäre Herangehensweise macht sich immer mehr in der gesamten Gesellschaftspolitik breit. Sie mündet in einen immer deutlicher werdenden Allerweltsliberalismus, bei dem jeder Rechte hat, aber niemand Pflichten. Das wird dazu beitragen, das Land in den Untergang zu führen. Niemand entwickelt mehr Einsichten in Notwendigkeiten, ohne die eine Gesellschaft nicht funktionieren kann. Schon heute fehlt in Deutschland eine zielstrebige allgemeine Volkserziehung zu den Tugenden der Ordnung, der Pünktlichkeit und der Exaktheit, die früher einmal ein international beachteter Mythos unseres Volkes war.

Hartz-IV-Empfänger müssen nach neueren Festlegungen keine Pflichterfüllung mehr nachweisen, wer nicht arbeiten will, muß es nicht tun, er muß auch keine Arbeit suchen, die Zuwendungen werden ja regelmäßig erhöht. Wir schaffen auf diese Weise ein Volk von Faulenzern, in dem sich ein Teil in den Arbeitsergebnissen derer sonnen kann, die mit Arbeit das Land voranbringen. Die allgemeine politische Bestrebung zur Schaffung eines bedingungslosen Grundeinkommens für jedermann, das an keinerlei Verpflichtung geknüpft sein soll, ist eine Krönung des antiautoritären Habitus der deutschen Politik. Bei den gesellschaftlichen Kräften, die sich durch aktive Mitwirkung in die Gestaltung unserer freiheitlich-demokratischen Ordnung einbringen, lösen solche politischen Fehlleistungen Verärgerung hervor, man lehnt mehrheitlich die Schmarotzer in unserer Gemeinschaft ab.

Der Bundesgerichtshof hat in einem Grundsatzurteil die Anonymität im Internet geschützt. Der Betreiber eines Internetportals muß die Daten eines Benutzers selbst dann nicht herausgeben, wenn dieser wiederholt unwahre Aussagen ins Netz eingestellt hat. Für solche Auskünfte gebe es keine gesetzliche Grundlage. (Az.: VI ZR 345/13). Es gibt dazu auch einen untauglichen Erklärungsversuch: "Der Gesetzgeber will damit die im Grundgesetz (Artikel 5) garantierte Meinungs- und Redefreiheit stärken." Und weiter: "Zugleich lebt das Internet auch von Anonymität. Und das ist wichtig für das Netz als Mittel zu Demokratie und Meinungsfreiheit." Meine Auffassung dazu ist, die Demokratie und die Meinungsfreiheit werden mit solchen Urteilen gar nicht gestärkt, wohl aber die allgemeine Pöbelei, die Verbreitung von Haß und Hetze, gestützt auf den falsch verstandenen Begriff Freiheit, nach dem jeder machen kann, was er will. So wird eine geforderte Einsicht in Notwendigkeiten bereits als Unfreiheit deklariert. Mehr dazu unter
http://hauptplatz.unipohl.de/AnonymImNetz.pdf.

An den Universitäten werden keine Forderungen an das Lernen der Studenten gestellt, wenn jene sie nicht für gut befinden und billigen. Auf diese Weise wird das Ausbildungsniveau auf die Stufe derer herabgesetzt, die ein hohes Niveau ablehnen und nur begrenzt lernen wollen. Da gab es im Jahre 2016 an der Freien Universität Berlin Proteste gegen die angeblich zu hohen Forderungen an die Lehramtsstudenten in der Mathematik, und sofort knickte die Universitätsleitung ein und versprach eine Überprüfung. Ausführlicher dazu unter
http://hauptplatz.unipohl.de/BayernMathe.htm und
http://hauptplatz.unipohl.de/Mathe_fuer_Lehrer.htm.

Die deutsche Politik läßt sogar kritiklos Kräfte gewähren, die gegen den Willen der überwältigenden Mehrheit des Volkes die deutsche Sprache mit fortgesetztem Reformeifer und unsäglichem Gewaltaktionismus in ihrem Grundaufbau zerstören. Die ernsten Mahnungen der Wissenschaftler verhallen in politischer Untätigkeit der zuständigen Ministerien. Oftmals treten jene sogar unter Dokumentierung ihrer sprachlichen Unbildung als Vorantreiber solcher Zerstörungen in Erscheinung. Die nachhaltigen Forderungen von Wissenschaft und Bevölkerungsmehrheit werden nicht beachtet, sie werden schlicht ignoriert. Ein Beispiel dazu ist nachlesbar unter
http://hauptplatz.unipohl.de/MHBLeitfadenAnalyse.pdf und
http://hauptplatz.unipohl.de/MHBLeitfadenAblauf.htm

Bei öffentlichen Demonstrationen im Lande kann jeder nach eigenem Ermessen seine gewalttätigen Aggressionen ausleben, dabei auch die Polizei und andere Ordnungskräfte beleidigen und diffamieren, auch tätlich angreifen und ihre Autorität prinzipiell in Frage stellen. Ernsthafte Folgen hat es kaum. Im Gegenteil. Wenn ein unbelehrbarer Randalierer durch einen Polizisten mit der gebotenen Härte zur Ordnung gerufen wird, läuft auch gleich ein Ermittlungsverfahren an - nicht gegen den Randalierer, sondern gegen den Polizisten. Ein Staat aber, der die Diskreditierung seiner Machtorgane zuläßt und sie nicht gegen Übergriffe schützt, hat verloren.

Sogar in der Regierungspolitik machen sich antiautoritäre Verhaltensweisen breit. Niemals konsequent auftreten, immer loyal gegenüber jedermann, auch dann, wenn es notwendig ist, klare Auffassungen und Verhaltensmaximen zu zeigen. Es ist kurios: Man debattiert ernstlich darüber, wie man mit Putin verhandeln könnte, damit er unter "Wahrung des Gesichts" aus dem Krieg herauskommen kann. Das jedoch ist kompletter Unsinn. Welches Gesicht denn? Gesicht hat er schon seit 24. Februar keines mehr. Auch der polnische Präsident Andrzej Duda sagt in voller Klarheit, daß solche Versuche zwecklos sind, sie bringen gar nichts. Rußland stellt zu seiner inakzeptablen Vorgehensweise erpresserische Forderungen zur Aufhebung der Sanktionen, hat dabei keine Skrupel, das um den Preis der Herbeiführung von Hungersnöten in der Welt zu tun. Solche Anmaßungen wider jegliche Moral sind nicht verhandelbar. Erfolgversprechend ist nur, wenn man die erpresserischen Forderungen Rußlands nach Aufhebung der Sanktionen mit noch schärferen beantwortet. Es kann nur eine klare Forderung geben: Das Regime Putin, heißt, die faschistische Diktatur in Rußland, muß umgestoßen werden, auch dann, wenn dies ein Teil der russischen Bevölkerung nur allmählich verstehen wird. Es muß auch deshalb geschehen, weil die Putin-Diktatur außerstande ist zu verstehen, daß sie das eigene Land in den Ruin stürzt. Jedoch fehlen solche klaren Aussagen in der deutschen Politik. Wir verteidigen schließlich auch nicht das Auftreten der USA als Weltgendarm, unterstützen keine Kriege zum Ausbau ihrer Macht zuungunsten anderer Völker.

Zurück nach Deutschland. Ähnliche Wurzeln der Anlehnung an antiautoritäre Methoden sieht man auch bei der Besetzung der Ministerposten nach Wahlen. Stets geht es dabei nicht annähernd um die erforderlichen Fachkenntnisse der Minister auf den zu führenden Gebieten. Es geht immer nur um allgemeine Rangeleien mit den Stimmenprozenten der Parteien für die Günstlinge, die sich am Ende gegenseitig ausgehandelte Vorteile zuschanzen. Man muß klar sagen: Blumige Rhetorik und klangvolle Sprüche sind zur Führung eines Ministeriums nicht ausreichend. Ein Minister muß das Fach, in das er eingesetzt wird, studiert haben und einen Abschluß vorweisen können. Anderenfalls ist er für die Funktion ungeeignet. Wie aber sieht die Praxis dazu aus?

Wir blicken in der Gegenwart und in der jüngeren Vergangenheit in geschlossener Abfolge auf drei Frauen als Verteidigungsminister zurück, die sämtlich keinerlei militärische Kenntnisse haben. Die Ergebnisse liegen nun offen. Angesichts des Ukrainekrieges ist man endlich erwacht und sieht plötzlich, daß das Land nicht ausreichend geschützt ist, weil die Bundeswehr kaputtgewirtschaftet wurde und nun 100 Milliarden Euro Sonderzuwendung benötigt, um für ihre Aufgaben wieder befähigt zu werden.

Als Außenminister setzt man eine Frau ein, die keinen fachbezogenen Abschluß hat, im Diplomatenfach schon gar nicht, was ja eine unabdingbare Voraussetzung für diese Funktion wäre. Die Vollendung einer Dissertation hat sie abgebrochen unter dem wenig glaubwürdigen Hinweis auf ihre politische Arbeit. So gibt sie denn auch eine Figur ab, der man nicht abnehmen kann, was sie sagt. Um zu erwartende Fehler zu minimieren, wird ihr Auftreten von den Fachleuten gesteuert, die man im Außenministerium in Ermangelung eigener Fachkenntnisse der Ministerin unterhalten muß.

Der als Minister für Wirtschaft und Umwelt eingesetzte Robert Habeck hat Philosophie, Germanistik und Philologie studiert, erlangte einen Magisterabschluß an der Universität Hamburg mit einer Abhandlung zu den Gedichten von Casimir Ulrich Boehlendorff. Im Jahre 2000 wurde er mit einer literaturwissenschaftlichen Arbeit über literarische Ästhetizität zum Dr. phil. promoviert. Wie man aber mit Literaturkenntnissen ein Wirtschaftsministerium führen will, bedarf noch des Versuches einer Aufklärung, der gewiß ergeben würde, daß es nicht funktionieren kann.

Ich erlaube mir dazu folgendes festzustellen: Die erforderliche allgemeine Erkenntnis, daß dieses Postengeschacher in der deutschen Politik, das nach jeder Wahl seinen regelmäßigen Ablauf nimmt, ein Ende haben muß, liegt noch in weiter Ferne, obwohl immer deutlicher wird, daß Deutschland mit solchen Experten in den Ruin regiert wird. Die Arbeit der notwendig wissenschaftlich begründeten Führung eines Landes mit Laienkünstlern bewältigen zu wollen, ist wohl dafür eine ausreichende Begründung.

Zusammenfassend gelangt man zu einer sehr bedenklichen Schlußkonsequenz. Auch wenn man zu Thilo Sarrazin ein nicht unkritisches Verhältnis hat, die Botschaft seines Buchtitels "Deutschland schafft sich ab" hat einen sehr hohen Wahrheitsgehalt. Um sie zu entkräften, müssen sehr tiefgreifende substantielle Veränderungen der Grundprinzipien der Gestaltung unserer Politik herbeigeführt werden. Das jedoch ist auf längere Sicht nicht erkennbar.