bearbeitet: 16.08.2012
überarbeitet und ergänzt: 12.09.2012
ergänzt: 20.10.2015
ergänzt: 21.10.2017
ergänzt: 29.08.2021
Die Urknallhypothese, eine Sackgasse der kosmologischen Forschung
Die meisten Wissenschaftler, die sich mit Kosmologie befassen, haben unter anderem Physik studiert. Sie kennen
deshalb die grundsätzlichen Naturgesetze, auf denen alle Naturwissenschaft fußt, die durch Hunderte anerkannte
Wissenschaftler vieler Epochen mit einer Vielzahl an Experimenten mit höchster Zuverlässigkeit bewiesen sind. Sie
haben zu diesen Gesetzen im Verlaufe ihres Studiums Klausuren geschrieben und Examen bestanden. Kein Wissenschaftler
hat an diesen Naturgesetzen Zweifel, sie sind allgemein anerkannt, weil sie nachgewiesen und nicht widerlegbar sind.
Einige Kosmologen aber bezweifeln die Richtigkeit dieser Gesetze, wenn es um das Universum geht. Sie behaupten
sogar, daß es die Naturgesetze insgesamt einst nicht gegeben habe, sie seien mit dem Urknall entstanden. Manche
gehen sogar so weit zu vermuten, daß in einem "anderen" Universum, was immer das sein möge, ganz andere Naturgesetze
gälten. Dies ist logisch so ungewöhnlich abwegig, daß man meinen könnte, sie hätten ihr Studium
verfehlt und wären bei der Erörterung der Kernprobleme nicht anwesend gewesen, denn sie bewegen sich
außerhalb aller vernunftgetragenen Denkstrukturen. Emanuel Kant würde sich ob solcher Logik verzweifelt
im Grabe abwenden. Die Folge davon ist ein Irrglaube an eine "Erschaffung" der Naturgesetze durch ein überkosmisches,
außerhalb des Universums stehendes Bewußtsein zu einer vorbestimmten Zeit, einer Art Uranfang, vor dem es
nichts gegeben habe. Ja, die Zeit selbst wird zusammen mit dem Raum einem Akt der Schöpfung unterworfen, mit
dem die Idee fabriziert wird, es habe die Raumzeit einst nicht gegeben, mit dem Urknall sei sie hervorgebracht worden.
Zur Stützung und Aufrechterhaltung solcher logikferner Vorstellungen werden immer neue mystische Verklärungen
der Zusammenhänge hervorgezaubert, die mit keiner wissenschaftlichen Methode vereinbar sind. Einige davon sollen
hernach genannt werden.
Seit dem völligen Verlust der wissenschaftlichen Selbständigkeit der Universitäten und Hochschulen und ihrer totalen
Überwachung durch staatliche Einrichtungen zunehmend seit den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts ist auf
breiter Front die Qualität der Forschung stark abgesunken. Universitäten und Hochschulen müssen sich künstlich inszenierten
Wettbewerben unterwerfen, in denen sie mit einer Vielzahl zum Teil widersinniger sogenannter Qualitätsindikatoren einer
umfassenden vergleichenden Bewertung (Ranking) unterzogen werden, mit deren Ergebnissen dann die Forschungsmittel
gewichtet verteilt werden. Das Interesse der Universitäten und Hochschulen hat sich dadurch von den Forschungsaufgaben
weg auf das Erlangen von Selbstdarstellungsparametern in diesen Pseudowettbewerben verlagert. Mathias Binswanger zitiert
in seinem Buch Unsinnige Wettbewerbe - warum wir immer mehr Unsinn produzieren Thorpe aus dem Jahre 2003: "Verbunden
mit der Markt- und Wettbewerbseuphorie war auch ein tiefes Misstrauen gegenüber der unabhängigen, "im Elfenbeinturm"
stattfindenden universitären Grundlagenforschung, von der Politiker oft nicht so recht wissen, was sie eigentlich soll. Was
bringt schon die Suche nach Erkenntnis außer hohen Kosten? Der frühere britische Erziehungsminister Charles Clarke
bezeichnete deshalb die "mittelalterliche Suche nach Wahrheit" als überholt und überflüssig". Hierzu später ausführlicher.
Zunächst aber einige wissenschaftliche Klarstellungen zu den oben beschriebenen Fehlhaltungen.
Zu den grundsätzlichen, nicht widerlegbaren Naturgesetzen gehören unter anderen der Energieerhaltungssatz und
die Masse-Energie-Äquivalenz. Das Bestreiten dieser Naturgesetze führt zweifelsfrei in wissenschaftsferne Spekulationen,
deren sich heute fast die gesamte Kosmologie bedient. Auf breiter Front wird eine ungezügelte Mystik um die kosmischen
Vorgänge konstruiert, die dem einzigen Ziel dient, etwas zu erhalten, was bei vernünftiger Denkweise nicht aufrechtzuerhalten
ist: Die Urknalltheorie. Immer unwirklichere Gedankengebilde werden offeriert, immer nebulöser werden die Versuche
der Erklärung. Die Öffentlichkeit soll diese Darstellungen glauben, weil die Experten es sagen. Die Beweggründe der
Experten, immer neue Unwirklichkeiten zu verbreiten, bleiben dabei unaufgeklärt.
Schauen wir zunächst auf den Energieerhaltungssatz: In einem System kann Energie weder entstehen noch verschwinden,
sie kann nur ihre Erscheinungsform verändern.
(Eges = Epot + Ekin = m*g*h + 1/2*m*v2).
Die Gesamtenergie in einem System bleibt konstant, wenn nicht von außen Energie zugeführt oder Energie nach
außen abgegeben wird. Energie ist eine Erhaltungsgröße. Das Universum ist ein solches System, jedoch mit einer
Besonderheit: Es gibt außerhalb des Universums kein anderes System. Somit ist die Gesamtenergie im Universum
konstant, sofern man die aberwitzig überspannten Vorstellungen einiger Kosmosdilettanten über viele parallele
Universen unberücksichtigt läßt. Schauen wir nun auf diese Konstanz im Zusammenhang mit der Masse-Energie-Äquivalenz.
E = m*c2 bedeutet, daß Masse und Energie zwei äquivalente Formen der Materie sind, die stets zusammen
vorhanden sind und in einem konstanten Verhältnis stehen. Ist die Masse Null, so ist auch die Energie Null und umgekehrt
(0 = 0*c2 oder auch aus dem Energieerhaltungssatz oben:
0*g*h + 1/2*0*v2 = 0), schreibt man E/m = c2, so wird deutlich,
daß das Verhältnis von Energie zu Masse konstant ist. Logische Folge:
Auch Masse kann in einem System weder entstehen noch verschwinden. Außerdem wird deutlich, daß man Masse
nicht in Energie "umwandeln" kann, und umgekehrt kann aus Energie keine Masse "erzeugt" werden. Dies würde
nämlich bedeuten, daß Masse in dem Maße verschwände, wie Energie entstünde und wenn Energie verschwände,
würde daraus Masse. Dies führte mathematisch ausgedrückt dazu, daß
E + m = const ist. Das aber ist offenkundig falsch. Das heißt letztendlich, Masse und Energie - und beides
zusammen ist die Materie - können nicht "entstanden" sein, und schon gar nicht aus Nichts. Materie existiert
ewig, ohne einen Anfang gehabt zu haben und ohne je ein Ende zu haben. Da die Materie in der Raumzeit existiert, ist damit
gleichzeitig gezeigt, daß auch die Raumzeit ewig existiert und nicht zu einem Zeitpunkt, der als Null angenommen wird,
erschaffen worden ist. Zeit ist kein Vektor.
Die Auffassungen einiger Kosmologen verlassen diese Logik, in dem sie die widersinnige Behauptung aufstellen,
die Energie gehöre nicht zur Materie. Folgt man ihnen, so wird die Energie aus der Materie herausgelöst und ihr
entgegen- oder gegenübergestellt. Dieser Grundirrtum ermöglicht erst die Fiktion, Masse in Energie "umwandeln"
zu können und umgekehrt - mit allen pseudowissenschaftlichen Folgen, die diese Fehlhaltung nach sich zieht. Zur
besseren Orientierung muß man lediglich die Experimente verfolgen, die in den letzten Jahren im CERN bearbeitet
werden, insbesondere das ATLAS-Projekt. Das mit großer Wahrscheinlichkeit im Juni 2012 gefundene Higgs-Boson
mit einer Masse von 125 GeV/c2 ist ein enorm großer Schritt zur Erklärung des Wesens der Materie.
Unter http://de.wikipedia.org/wiki/Materie_(Physik)
findet man in der freien Enzyklopädie Wikipedia die folgende völlig falsche Materiedefinition:
"Materie (von lat. materia = Stoff) ist eine Sammelbezeichnung für alle Beobachtungsgegenstände der Naturwissenschaften,
die Masse besitzen. Raumbereiche, die keine Materie enthalten, bezeichnet man als Vakuum. Elektromagnetische
Wellen wie zum Beispiel Licht werden nicht zur Materie gezählt."
Eine Erklärung hierzu.
Diese Fehlauffassung hat sich schleichend in den letzten 20 Jahren etabliert. Bis zum Anfang der 90er Jahre waren
noch zutreffendere Aussagen veröffentlicht worden.
Die in der Brockhaus-Enzyklopädie in 24 Bänden aus dem Jahre 1991, Band 14, S. 326/327, gegebene
Definition der Materie ist ein wenig klarer, wenn auch nicht frei von substantiellen Fehlern:
"…Die eigentlichen Träger der Materie (die Teilchen) sind dynamische Zentren, die nur einen verschwindend
geringen Raum einnehmen. Sie sind nach der gängigen Elementarteilchentheorie als quasipunktförmige "Teilchen"
(Quarks und Leptonen), nach der alternativen Stringtheorie als Zustandsformen der Schwingungen einer
eindimensionalen "Saite" ("String") vorstellbar. Der räumliche Hauptanteil der makrophysikalisch repräsentierten
Materie ist leer im Sinne einer naiven Anschauung, jedoch erfüllt von intensiven Kraftwirkungen, die man sich als
äußerst rasch fluktuierend ausgetauschte Teilchen (virtuelle Teilchen) vorstellen kann (Wechselwirkung). Sie bilden
das Feld, das die eigentlichen Materieträger umgibt und als dessen Erzeugnis man umgekehrt auch diese eigentliche
Materie zu verstehen bemüht ist, da seit Entdeckung des Dualismus (Welle-Teilchen-Dualismus) eine scharfe Trennung
zwischen den Begriffen Teilchen und Feld nicht möglich ist. Vielmehr können Teilchen mit Ruhemasse in solche ohne
Ruhemasse umgewandelt werden und umgekehrt (Paarbildung). Beide können als zwei verschiedene Erscheinungsformen
von Energie aufgefaßt werden (Masse-Energie-Äquivalenz). Eine der Grundeigenschaften der Materie, oft fälschlich
mit ihr gleichgesetzt, ist die Masse. Masse und Energie sind nur verschiedene Aspekte einer Wirklichkeit."
Diese Definition ist nicht unumstößlich, kommt jedoch den auf modernen Forschungsergebnissen basierenden Vorstellungen
wesentlich näher als die obige.
Basierend auf diesen Erklärungen entsteht ein im Wesentlichen plausibles Bild der kosmischen Bewegungsabläufe.
Bildlich ausgedrückt bewegt sich die Materie im Universum ähnlich einem Wolkengebilde, in dem sich alles sowohl
in umfassender, allgemeiner Rotation als auch in longitudinaler Bewegung befindet, in der es kein definierbares
Rotationszentrum gibt, sondern großräumige Rotationsbereiche, die einander durchdringen, sich ständig verändern
und neu formen. Die gesamte Bewegung trägt chaotischen Charakter, dessen Triebkräfte ihren Ursprung in den
Inhomogenitäten der Materie hinsichtlich Verteilung und Struktur haben. Diese Bewegung ist ewig, hatte keinen
Anfang und wird kein Ende haben.
Unter der Annahme der allgemeinen Rotation ist nicht auszuschließen, daß sich das Universum in unserer weiträumigen
Umgebung gegenwärtig in einer Expansionsphase befindet, die sich nach einer unbestimmten, endlichen Zeit in
eine Kontraktionsphase umkehren kann. Das ist eine Art Schwingung (Oszillation), die sich überall im Universum
vollzieht, und die ihren Antrieb im der Kräftedynamik der allumfassenden Gravitation mit der allgemeinen Zentrifugation
und deren Wirkungen auf die träge Masse hat. In dieser Darstellungsweise ist die kosmische Materiebewegung kein
Gesamtprozeß, sie läuft vielmehr regional in Teilen des Universums ab, Bewegungsbereiche trennen oder vereinigen
sich, vergrößern oder verkleinern sich, beeinflussen sich gegenseitig. So wird die zuweilen geäußerte
Ansicht der Existenz mehrerer "paralleler Universen" einleuchtender erklärbar und vermeidet den irritierenden Begriff, dem
man nicht zu folgen vermag.
Mit dem beschriebenen Verständnis des Universums werden alle oben beschriebenen Unverständlichkeiten und
Unzulänglichkeiten der Urknalltheorie aufgehoben, die Kosmologie wird von allerlei mystischen Verklärungen freigemacht,
die keiner wissenschaftlichen Methode folgen und überwiegend völlig unverständlich sind. Das Festhalten an der
Urknalltheorie ähnlich einer Doktrin wirkt wie eine Eisenklammer, die allumfassend die Forschung einzwängt und ihr
Vorankommen behindert. Mögen die vielen wissenschaftlichen Forschungsergebnisse der neueren Zeit doch endlich die
kosmologische Wissenschaft aus der Sackgasse herausführen, in die sie durch die bornierte Haltung einiger weniger geraten
ist. Es wäre inständig zu wünschen, daß dieser Vorgang nicht wieder 300 Jahre in Anspruch nimmt, wie
es bei der Ablegung des geozentrischen Weltbildes zugunsten der Durchsetzung des von Kopernikus und Galilei begründeten
heliozentrischen gewesen ist. Rund 60 Jahre davon sind bereits vergangen.
Wie die gesellschaftlichen Verhältnisse den wissenschaftlichen Fortschritt behindern
Leider aber sind die Chancen, in der gegenwärtigen Zeit in der Sache voranzukommen, sehr gering. Die Ablösung falscher,
überholter Auffassungen durch solche, die der Wahrheit deutlich näher kommen, ist, wie die Arbeitspraktiken in den
heutigen wissenschaftlichen Einrichtungen zeigen, nur wenig abhängig von den wissenschaftlichen Inhalten
konkurrierender Auffassungen, sondern wird hauptsächlich, wie oben schon ausgeführt, von den hierarchischen
Beziehungen in den Strukturen des betreffenden Wissenschaftszweiges diktiert. Leistungen werden nicht
gemessen an ihrem wissenschaftlichen Wert, sondern vornehmlich an der Anzahl von Veröffentlichungen durch
die etablierten Wissenschaftler und an der Anzahl der Zitate aus Publikationen dieser Vertreter in anderen
Veröffentlichungen. Besonders schädlich wirkt sich dabei aus, daß nach solchen irreführenden Indikatoren die
staatlich verfügten Forschungsmittel verteilt werden, die auf diese Weise neue wissenschaftliche Erkenntnisse
von der Bereitstellung finanzieller Mittel ausschließen. Die Objektivität von Veröffentlichungen geht damit verloren.
Prof. Dr. Mathias Binswanger, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Fachhochschule Solothurn, Schweiz,
beschreibt in seinem Buch Sinnlose Wettbewerbe - warum wir immer mehr Unsinn produzieren diese
Situation wie folgt:
"In der modernen Universität geht es also nur noch am Rande um Erkenntnis, auch wenn bei Sonntagsreden
immer noch so getan wird, als ob dieses Ziel weiterhin im Vordergrund stünde. Moderne Universitäten sind
einerseits Fundraising-Institutionen, (fundraising, engl. = Finanzmittelbeschaffung, Pohl) die es darauf anlegen,
möglichst viele Forschungsgelder für sich abzuzweigen. Und andererseits sind sie Publikationsfabriken, die
versuchen, ihren Publikationsoutput zu maximieren. Demzufolge ist der ideale Professor eine Mischung aus
Fundraiser, Projektmanager und Vielpublizierer, bei dem nicht die Suche nach Erkenntnis, sondern der messbare
Beitrag zur wissenschaftlichen Exzellenz im Vordergrund steht. Und damit die Professoren ihren Beitrag zur
Exzellenz auch brav leisten, gibt es zusätzlich zu den traditionellen Dekanen an jeder Abteilung neuerdings
auch Fakultätsmanager, und der Rektor bzw. Präsident ist heute eine Art CEO, (Chief Executive Officer,
engl. = Leitender Direktor eines Unternehmens - Pohl) der von oben herab neue Strategien zur Erreichung
von noch mehr Exzellenz diktiert. Forschung wird zum Mittel im Kampf um "Marktanteile" von Universitäten
und Forschungsinstituten (Münch 2009 a, S. 148-164)."
Und weiter:
"Es sind vor allem zwei künstlich inszenierte Wettbewerbe, nämlich der Wettbewerb um möglichst viele
Publikationen und der Wettbewerb um möglichst viele Forschungsgelder über sogenannte Drittmittelprojekte,
die zur Produktion von Unsinn animieren. Beide Indikatoren (Publikationen, Drittmittel), um welche die künstlichen
Wettbewerbe veranstaltet werden, spielen bei heutigen Forschungsrankings eine zentrale Rolle."
"Grundlagenforschung manifestiert sich hingegen stets in Publikationen. Was ist also naheliegender, als den
Output bzw. die Produktivität eines Wissenschaftlers oder eines Instituts anhand der Zahl der Publikationen
zu messen? Denn ist es nicht so, dass viele Publikationen das Resultat von viel Forschung sind, die unser
relevantes Wissen erhöhen?"
Man muß kein Experte sein, um zu erkennen, daß dies ganz und gar nicht so ist. Binswanger sagt:
"Publikationen bewirken zwar eine Zunahme von beschriebenen Seiten, aber deren Zahl sagt nichts aus
über die Bedeutung der Forschungsleistungen eines Wissenschaftlers oder einer Institution, genauso wenig
wie die Zahl der gespielten Töne etwas über die Qualität eines Musikstücks aussagt."
Welche Chancen hat man nun zur Veröffentlichung einer Theorie, die einer seit vielen Jahren bestehenden
widerspricht? Binswanger hat dazu folgendes recherchiert:
"Relevant sind Veröffentlichungen in Fachzeitschriften, bei denen die eingereichten Arbeiten einem "strengen"
und "objektiven" Auswahlverfahren unterzogen werden, dem sogenannten "Peer-Review-Verfahren". Dieses
soll sicherstellen, daß nur "qualitativ hochstehende" Arbeiten publiziert werden, die dann als "echte
wissenschaftliche Publikationen" gelten. Bei dem unter Wissenschaftlern künstlich inszenierten Wettbewerb
geht es genau gesprochen also darum, möglichst viele Artikel in akzeptierten wissenschaftlichen Zeitschriften
zu veröffentlichen." ... "Allerdings existieren auch unter den wissenschaftlichen Zeitschriften nochmals strikte
Hierarchien, welche die durchschnittliche "Qualität" der angenommenen Artikel widerspiegeln sollen. Fast in
jeder Wissenschaftsdisziplin gibt es einige wenige, mit Ehrfurcht betrachtete Top-Zeitschriften (A-Journals)
und dann verschiedene Gruppen, von nicht mehr ganz so hochstehenden Zeitschriften (B-,oder C-Journals),
bei denen man leichter einen Artikel unterbringt." ... "Was versteht man nun aber konkret unter
Peer-Review-Verfahren? Wenn ein Wissenschaftler einen Artikel in einer wissenschaftlich anerkannten Zeitschrift
veröffentlichen will, dann muss er ihn zuerst bei dem oder den Editors des Journals einreichen, bei denen es sich
meist um bereits arrivierte Champions ihrer Disziplin handelt. Diese Editors haben allerdings in vielen Fällen keine
Zeit, sich um das Tagesgeschäft "ihrer Zeitschrift" zu kümmern, und deshalb gibt es noch einen weniger arrivierten
und für den administrativen Ablauf zuständigen Managing Editor, der die Manuskripte von publikationsfreudigen
Wissenschaftlern entgegennimmt und damit das Peer-Review-Verfahren in Gang setzt. Er gibt die eingereichten
Manuskripte einem oder mehreren Professoren oder anderen anerkannten Wissenschaftlern (den sogenannten
Peers) zur Begutachtung, die im Idealfall selbst auf dem gleichen Gebiet wie der Verfasser des Artikels arbeiten
und deshalb in der Lage sein sollten, dessen Qualität zu beurteilen." ... "Als krönenden Abschluss des Verfahrens
teilen die Gutachter dem Editor dann schriftlich mit, ob sie auf Annahme (sehr selten), Überarbeitung oder
Ablehnung des Artikels (am häufigsten) für die entsprechende Zeitschrift plädieren. Nicht wenige Top-Journals
brüsten sich sogar mit ihren hohen Abweisungsraten, die angeblich die hohe Qualität dieser Journals
widerspiegeln (Fröhlich 2007, S. 338). Bei solchen Zeitschriften sind die Abweisungsraten in der Größenordnung
von 95 Prozent."
Es ist folglich nicht zu erwarten, daß man mit einer Gegentheorie zu einer bestehenden Theorie, der im
Wesentlichen alle Gutachter folgen, eine Veröffentlichungsmöglichkeit erhält. Viel eher wird eine solche
Arbeit als Verschwörung eingeordnet, die ohne tieferes Nachdenken, vielleicht sogar ohne die Arbeit zu
lesen, abgelehnt wird. So wird die mögliche Aufklärung eines wissenschaftlichen Irrtums auf administrativem
Wege ausgeschlossen. Eine Veröffentlichung gelänge nur, wenn der Antragsteller den Gutachtern zum Munde
redet und so seine Aufmerksamkeit erhält. Das ist natürlich im Falle des Widerspruchs gegen eine allgemein
vertretene Theorie unmöglich. Binswanger sieht das so:
"Da inhaltlicher Fortschritt in den etablierten Zeitschriften aus den bereits genannten Gründen kaum stattfindet,
hat sich die Innovation auf die Form verlagert. Banale Ideen werden zu hochkomplexen formalen Modellen
aufgeblasen, welche das technische oder mathematische Know-how der Autoren demonstrieren und Wichtigkeit
vortäuschen sollen. In vielen Fällen sind die Gutachter dann gar nicht in der Lage, diese Modelle zu beurteilen,
denn sie haben weder Lust noch Zeit, sich tagelang damit zu beschäftigen. Da sie das aber nicht zugeben
können, wird formale Brillanz im Zweifelsfall positiv bewertet, denn diese trägt meist zur Stützung herrschender
Theorien bei. Sie hilft, diese gegen außenstehende Kritik zu immunisieren, so dass alle nicht auf dem gleichen
Spezialgebiet tätigen Kollegen einfach glauben müssen, was in einem Modell oder Experiment "bewiesen"
wurde." ... "Mit der Formalisierung entfernen sich die Wissenschaften aber auch immer mehr von der Realität,
da vorgetäuschte Präzision wichtiger wird als tatsächliche Relevanz." ... "Die Verdrängung von Inhalt durch
Form wirkt sich dabei auch auf die Berufungspolitik aus. Der alte Typ des an seinem Fach aus innerem Antrieb
interessierten und oftmals eigenwilligen Wissenschaftlers wird zunehmend abgelöst durch formal hochbegabte,
stromlinienförmige Musterknaben und -frauen, die aber inhaltlich kaum etwas zu sagen haben." ... "Neue oder
originelle Einsichten und wirklich neue Ideen finden sich daher viel eher in Büchern oder Arbeitspapieren, bei
denen keine Pseudoqualitätskontrolle originelle Einsichten verhindert."
Insgesamt ergeben sich aus diesem gesamtgesellschaftlichen Unfug, die Qualität der Forschungsarbeit
ausschließlich und führungsrelevant mit quantitativen sogenannten Qualitätsindikatoren beurteilen zu
wollen, Verdrängungseffekte, die wegen des immer stärkeren Vordringens dieser Tonnenideologie an den
Universitäten und Hochschulen von den betroffenen Mitarbeitern schon gar nicht mehr erkannt werden.
Binswanger hat diese Verdrängungseffekte in folgender Thesenübersicht zusammengefaßt:
So nimmt es am Ende nicht wunder, daß die in einem Offenen Brief an die Wissenschaftsgemeinschaft vom
Mai 2004 erhobene Stimme Hunderter hochanerkannter Wissenschaftler, die erkannt haben,
daß die Urknalltheorie auf Grund der gegenwärtig vorhandenen wissenschaftlichen Forschungsergebnisse nicht mehr
erhalten werden kann (http://cosmologystatement.org),
nicht gehört wird und deshalb keine Veränderung der Auffassungen zu den tatsächlichen kosmischen
Vorgängen erfolgen kann. Der Offene Brief wurde in der Urfassung von 33 Wissenschaftlern verfaßt und in
der Zeitschrift New Scientist, Ausgabe 22. bis 28. Mai 2004, veröffentlicht und nach seiner Bereitstellung im Netz
von mehr als 500 Wissenschaftlern weltweit nachunterzeichnet.
12. September 2012
Dr. Manfred Pohl
Nachtrag am 20.10.2015:
Da die oben genannte Adresse zur Seite des Offenen Briefes an die Wissenschaftsgemeinschaft seit Ende 2014
nicht mehr zur Verfügung steht, gebe ich hier den Verweis auf die von mir angefertigte Übersetzung aus dem
Englischen: Offener Brief