bearbeitet: 10.01.2003
Erste Ergänzung: 23.12.2004
Zweite Ergänzung: 26.01.2009
Nachtrag vom 06.04.2014
Bemerkungen zur deutschen Werbung
1. Der englische Schlenker
Werbetexter der modernen Zeit müssen sicher immer wieder beweisen, daß sie Englisch können, sicher befürchten sie, sonst vielleicht entlassen zu werden. Mindestens aber müssen sie damit angeben. Die Mehrzahl der Werbespots endet auf einen mehr oder weniger unpassenden englischen Schlenker am Ende. Ist das dann der eigentliche Werbeslogan? Falls ja, haben dann die Texter nicht manchmal Bedenken, daß ihre Werbung die Zielpersonen verfehlt, weil viele Menschen deutscher Sprache nicht verstehen, worum es geht? Man ist schon peinlich berührt von der stereotypen Art. Die Spots haben immer dasselbe Schema:
Produktname
Werbetext oder –spielchen
Produktname
englischer Schlenker.
Sieht man nicht darin großen Mangel an kreativen Ideen, die ja gerade in der Werbung das A und O des Erfolgs sind? So offeriert sich denn auch fast die gesamte Werbung in den deutschen Medien: Langweilig, fad, dumm, ideenlos und von berührender Peinlichkeit. Von ihrer völligen Fehlplazierung inmitten von Fernsehsendungen will ich in diesem Zusammenhang gar nicht reden. Das mache ich ein wenig später. Jetzt erst einmal eine kleine Nachlese, damit ein jeder für sich einmal prüfen kann, ob er alles aus der folgenden Tabelle versteht.
Hier ist eine unvollständige Liste mit Beispielen: (Die enthaltenen Englischfehler sind nicht von mir - das war schon so) |
|
Come in and find out | Douglas |
Connecting people | Nokia |
Cool idea | Smirnoff ice |
Designed to make a difference | Brown |
Dress for the moment | The New Yorker |
Explore | Lego |
Fashion for Living | C&A |
Get more | T-Mobile |
How are you? | Vodafone |
Imagine | RWE |
It's time to change | Nokia |
Lets things make better | Philips |
Live richly | City Bank |
Making the world smile | Actionman |
O2 can do | Nokia |
Powered by Emotion | Sat 1 |
We love to entertain you | Pro 7 |
Taste it | Marlboro |
Top of the Pops | The New Yorker |
You can | Canon |
Baby dry | Pampers |
Young care | Bebe |
Share your passion | Nikon |
Nachtrag vom 23.12.2004. Bei den Trägern der rot gefärbten Eintragungen ist im Laufe des Jahres 2004 ein Erkenntnisprozeß vor sich gegangen. Diese Firmen oder Einrichtungen sind von ihren englischen Schlenkern abgerückt und sprechen nun wieder deutsch mit uns. Auch noch einige andere Einrichtungen, die ich nicht in der Tabelle hatte, haben diesen Schritt getan.
Hier ist die Ergänzungslisteliste mit den Wandlungen: | ||
vorher | jetzt | Träger |
Come in and find out | Douglas macht das Leben schöner | Douglas |
Fashion for Living | Preise gut, alles gut | C & A |
Powered by Emotion | SAT.1 zeigt's allen | SAT.1 |
Every time a good time | Ich liebe es | McDonald's |
There's no better way to fly | Alles für diesen Moment | Lufthansa |
We are drivers too | Packen wir's an | Esso |
Driven by instinct | Pur und faszinierend | Audi TT |
Drive Alive | Heute. Morgen. Übermorgen | Mitsubishi |
One Group. Multi Utilities | Alles aus einer Hand | RWE |
PRO7 jedoch (in der oberen Tabelle blau) schwimmt noch immer gegen den Strom. Dort hat man für die Abendnachrichten eine neue Aufmachung entwickelt und ihnen im Zuge dieser Veränderung auch einen neuen Namen gegeben: Newstime. Sehr sinnreich! Dort wird wohl die Arroganz noch längere Zeit vorherrschen. Müssen wir nun damit rechnen, daß die Nachrichten bald in englischer Sprache gesendet werden?
2. Appetitshappen
Wenn in einem Spielfilm gerade eine Szene läuft, in der der Genuß aller Beteiligten an einem Festmahl gezeigt wird,
wird bei guter Darstellung dem Zuschauer ein Gefühl übermittelt, bei dem ihm der Gaumen feucht wird. Und plötzlich
folgt unvermittelt ein Werbespot über Slipeinlagen, sehr anschaulich dargeboten, sogar Flüssigkeiten werden
verwendet, einziges Zugeständnis an die Ästhetik: das Blut ist nicht rot. Was ist das? Das ist Kulturbarbarei.
Und für mich ist es der Anlaß, die Fernsehstation sofort zu verlassen. Nach solch einem Schock brauche ich auch den
Film nicht mehr. Mit einem Satz: Es ist mir vergangen.
Oder es wird eine kulinarische Sendung über das Zubereiten feinster Torten ausgestrahlt und plötzlich werde ich
beinahe ohne Überblendung aufgefordert, Hakle feucht zu kaufen? Danach, das können Sie mir glauben, schmeckt
alles noch viel besser. Denn wie heißt doch eine Regel: Das Auge ißt mit.
3. Alzheimer-Werbung
Die Zielgruppe der Alzheimer-Kranken scheint nach Ansicht der Werbefachleute schnell zu wachsen. Immer häufiger findet man eine Werbung, danach eine andere, dann dieselbe vorhergehende nocheinmal - sicher für die, die es schon wieder vergessen haben.
4. Die Möchtegern-Gruppe
Viele Werbetexter möchten gern etwas Englisches bringen, aber sie können es nicht. Hier nur 4 Beispiele, die zeigen, was dabei herauskommt.
Aufschrift auf einem namenlosen Organisationskalender (Edeka):
Organiser
Man weiß nicht so recht, was das sein soll. Vielleicht meint der Schreiber „organist“ und war sich über die englische Endung im unklaren oder meint er vielleicht "organizer"?
Aufschrift auf einer Tüte gefrosteter Hähnchenflügel (Rewe):
Chicken Wingers
Parlamentsflügel? Oder vielleicht die Flügel eines Flugzeuges? Oder ein Fußballstürmer? Oder meint der Schreiber "chicken wings"? Ein Glück nur, daß die Tüte halbdurchsichtig ist, so sieht manch einer wenigstens mit Hilfe seiner Anatomiekenntnisse, was da drin ist. Ein Desaster aber für den, der die täglichen Chancen nutzt, um Englisch zu lernen. Der schlußfolgert nun, „wingers“ seien die Flügel eines Vogels.
Werbeplakat für eine moderne Kollektion Rucksäcke:
Body bags
Dem Verfasser schien das deutsche Rucksack wohl nicht gefallen zu haben. So wollte er vielleicht eine Art
"Körpertasche" erfinden. Weil das aber deutsch auch nicht so recht klingt, übersetzt er es ins
Englische: "body bag". Dabei muß er wohl übersehen haben, daß der Begriff body bag
schon mit einer anderen Bedeutung belegt ist: Leichensack! Peinlich, wenn man etwas nicht weiß
und zum Nachschlagen zu stolz ist. Nun, wie heißt denn Rucksack auf englisch? Man glaubt es kaum:
"rucksack". Das konnte man natürlich nicht so lassen.
Hier zwei Beispiele aus dem Internet (es waren mehr, einige haben es bereits verstanden):
"Body Bags
Es geht immer - billiger.de! Body Bags im Angebot.
www.billiger.de/Filmmusik"
"Body Bag
Suchen, vergleichen & kaufen! Alles auf einen Blick: Shopping.com
www.shopping.com"
Nachtrag vom 26.01.2009: Seit der Erstveröffentlichung dieses Beitrages sind 6 Jahre vergangen. In allen
oben gezeigten Internetportalen werden noch immer die "Leichensäcke" angeboten, obwohl der sprachliche
Mißgriff nicht nur von mir, sondern auch von vielen anderen öffentlich auftretenden Mitbürgern
und Einrichtungen gegeißelt wurde. Wie muß man das werten? Nichts dazugelernt oder grenzenlos
arrogant? Dumm geblieben oder sich dumm gestellt? Es ist zu erwarten, daß angesichts der massiven
öffentlichen Glossierungen die Verkaufszahlen an diesen Plätzen gesunken sind. Möglicherweise
haben es die Anbieter noch gar nicht bemerkt. Denn daß die Ursachen nicht bekannt sind, kann ja wohl keiner
mehr sagen.
Nachtrag vom 06.04.2014: Langsam geht es, aber es spricht sich herum. von den ursprünlich 6 Beispieleintragungen verkaufen
nach nunmehr 11 Jahren zwei immer noch body bags. Die anderen sind entweder nicht mehr vorhanden oder
sich haben tatsächlich ihre Werbeslogans verändert.
Überschrift eines Beitrages in der Märkischen Oderzeitung vom 17.12.2002:
Holliday one Parkett
Zuerst weiß man gar nicht was gemeint sein könnte. Liest man dann den Beitrag, so kann man es erahnen, denn man findet die Anlehnung der Überschrift an eine bekannte Revue: "Holliday one Ice". So geschrieben hatte ich allerdings bisher "Holiday on ice" noch nie gesehen.
Übrigens: Es fällt mir immer öfter auf, die meisten Menschen sagen
Rush our
statt "rushhour". Auch die, die von sich selbst gern sagen, gut englisch zu können. Sagen wir dann auch "An Atomie" oder vielleicht "Ök Onomie" oder "Fin Anzen"? Nun, wenn man Rushhour nicht sprechen kann, sollte man wohl besser Berufsverkehr sagen, das wird in Deutschland jeder verstehen und es klingt auch weniger angeberisch.
5. Besondere Namen:
Toys "R" us
mit dem umgedrehten "R", das man weder schreiben noch deuten kann. Es ist eine Bezeichnung, für die man in Deutschland
und den anderen deutschsprachigen Ländern endlich über einen Namen nachdenken sollte, den auch ein deutschsprachiges
Kind verstehen kann.
robbie bubble - voll cool
Hier wäre doch vielleicht angebracht gewesen „full cool“ zu schreiben, dann wäre es immerhin noch eine Sprache gewesen,
aber von 4 Wörtern eines deutsch?
Fit for fun
ist ungeschlagen völliger Blödsinn. Auch wenn man es ins Deutsche übersetzt, kommt kein gescheiter Sinn rein.
Woodmaster
Mit diesem Namen wirbt eine Firma am Eingang zu Potsdam aus Richtung Süden. Ins Deutsche übersetzt:
Waldmeister. Schlußfolgerung: Ein Limonadenhersteller. Oder? Lösung des Rätsels: Es ist ein Tischler. Das
ist so ein Rätsel, bei dem man querdenken muß. Denn Tischler heißt englisch joiner oder auch
cabinet-maker, wenns ums Kunsthandwerk geht.
Wellness-Studio
Das ist auch so ein Unwort, zumal sich kein Deutsch-Muttersprachler bemüht, es nach den englischen Phonetikregeln
auszusprechen. Und „wellness“ mit deutscher Phonetik zu artikulieren, ergibt überhaupt kein Wort mehr. Und muß
es immer das abgegriffene "Studio" sein? Wie wäre es denn zum Beispiel mit "Quelle des Wohlbefindens?"
6. Vorschläge
Für die ach so englisch fühlenden Werbefachleute habe ich da noch ein paar Vorschläge. Was halten Sie denn zum Beispiel
von
Marlboro - marlpit - marlwaste - malevolent - malign - maldodorous
oder
Pitstop: your problem - our service; our service - your problem
7. Summa summarum
Die Deutschen haben ihr Sprachbewußtsein verloren. Kaum einer nimmt Anstoß an den oben beschriebenen Sprachverrottungen. Und bei den Werbetextern hat man das Gefühl, sie schämten sich ihrer Muttersprache. Sie versinken in ihrer deutsch-englischen Sprachkatastrophe und bemerken nicht mehr, daß sie an halb Deutschland vorbeireden. Aber die Werbetexter sind wohl nicht allein verantwortlich. Es beginnt in den Schulen. Auch dort wird kein Wert mehr auf Sprachgefühl und Sprachbewußtsein gelegt. Ich habe das schriftliche Deutsch durchschnittlicher Schulabgänger gesehen. Es kräuseln sich meine Rückenhaare! Sind daran die Schüler schuld? Es ist lange überfällig, uns zu besinnen. Es ist an der Zeit, unser Kulturgut Sprache wieder deutlicher und eindringlicher zu pflegen, wie es zum Beispiel die Franzosen tun, wie es zum Beispiel die Polen tun. "Wir sind das Volk!" haben wir vor gar nicht langer Zeit in Leipzig gehört. Und nun läßt sich dieses Volk seine Sprache verderben und sich etwas überstülpen, was zur Hälfte nicht verstanden wird. Überlegt, wo ein Fremdwort eine Bereicherung ist und wo es deutsche Sprache verdrängt! Werft die Gewalt an unserer Sprache über Bord zusammen mit der unsäglichen sogenannten Rechtschreibreform! Sprecht und schreibt wieder deutsch, es kann eine so schöne Sprache sein. (Schauen Sie doch bitte auch hier mal rein.)
Der im Nachtrag zu 1. gezeichnete Prozeß vollzieht sich sehr langsam, und die Erkenntnis ist erst bei sehr wenigen Werbeleuten angekommen. Aber immerhin ist es ein hoffnungsvoller Anfang.