bearbeitet: 25.02.2016
In der Märkischen Oderzeitung vom 25.02.2016 findet man eine kurze Notiz über einen neueren Versuch,
unsere Muttersprache zum Besseren zu wenden. Die Art, wie der Autor den Ansatz aufs Korn genommen hat,
findet meine volle Zustimmung. Ich zitiere hier den Beitrag mit eingefügten, zugegeben etwas bissigen
Kommentaren in roter Schrift.
Die Aggressivität der Linge
Wie eine Forscherin die deutsche Sprache verändern will
Wie sagte der Deutschlehrer früher so treffend? Deutsche Sprache, Schwere Sprache. Aber deine Muttersprache!
Und so muss man sich als Medium auch der Sprachkritik aus Universitäten stellen. Aktueller Fall: Der deutschen
Wissenschaftlerin Elisabeth Wehling, die gegenwärtig an der amerikanischen Universität Berkeley forscht, gefällt
das Wort "Flüchtling" nicht. Wie sie in der "Zeit" verkündet, mache die Endung "ling" die Menschen klein, und
durch das männliche Geschlecht des Wortes wirke es "stark", ja "aggressiv".
Aha. Es spricht die "starke" und "aggressive" Elisabeth Wehling, die durch die Endung
"ling" ganz klein gemacht wird. Würde sie sich dann nicht besser Elisabeth "die Wehende" nennen? Nicht
unpassend, wenn man es auf die hier gebotene intellektuelle Leistung anwendet. Man kann vermuten, daß
sie schon sehr lange in den USA lebt, und deshalb die deutsche Sprache schon weitgehend vergessen hat.
Denn nach allen bisherigen wissenschaftlichen Erkenntnissen hat die Endung "ling" mit Verkleinerung
überhaupt nichts zu tun und mit "stark" auch nichts, und woher sie die Aggressivität ableitet, wird der
Sprachwissenschaft wohl als ungelöstes Rätsel erhalten bleiben. Ich kenne Frau Wehlings Fachgebiet nicht,
aber aus der Sprachwissenschaft sollte sie sich besser heraushalten.
Nun ist es durchaus eine Tatsache, dass auch der Frühling gegenwärtig mit großer Aggressivität ins Land drängt;
die Krokusse blühen schon. Klein und aggressiv - das ist eine Mischung, die in Europas Geschichte schon diverse
ungute Auswüchse gezeitigt hat. Zum Glück hat die Forscherin auch eine Lösung für das Dilemma. Sie schlägt
vor, von "Flüchtenden" zu sprechen.
Nun, das ist so neu auch wieder nicht. Dieser ausufernde Partizipismus ist uns ja
aus der Politik schon lange bekannt. Da gibt es die Studierenden, die Lehrenden und die Lernenden, womit
Studenten, Lehrer und Schüler gemeint sein sollen. Und dann haben wir ja auch noch die Straßenverkehrsordnung
in der Fassung vom 1. April 2013, in der es zu Fuß Gehende, Autofahrende, Reitende und andere sinnentleerte
Sprachkapriolen gibt, die auf Frau Wehling, wie man sieht, große Vorbildwirkung auszuüben scheinen.
Diese Endung könnte dem Deutschen ganz neue, sachliche Horizonte eröffnen. Der "Liebling" würde zum
"Liebenden" ("Hallo, Liebender!"). Und der Schmetterling zum Schmetternden. Das kann man alles machen.
Aber ob der Sträfling dann auch zum Strafenden mutieren darf, sollte dann doch besser der Justizminister
entscheiden. (kg)
Ja, das sind gute Beispiele. Man kann die Liste beliebig verlängern. Ein paar ergänze
ich mal noch. Wenn einer neu anfängt ist er ein Neuling. Nein, natürlich nicht so ein kleiner, starker,
aggressiver, es ist ein "Neuender", oder wie? Große angeschwemmte Steine nennt man Findlinge. Wie
heißen die dann? Die "Findenden"? Würde man sicher mit denen verwechseln, die sie gefunden haben. Ein
Schlüssel, der noch zu bearbeiten ist, wurde bisher Rohling genannt. Ist das dann der "Rohende"? Kein
Deutschkundiger würde verstehen, was gemeint ist. Auf Wörter wie Zögling, Sämling, Wüstling, Lüstling,
Häuptling, Bückling, Steckling und andere müßten wir dann ganz verzichten, sie lassen sich mit dieser Methode nicht
verarbeiten. Der Weinkenner wird aber auf den Riesling nicht verzichten wollen. Er wird auch keinen
"Riesenden" trinken wollen.
Wie man sieht, ist das Ganze ein weiterer von vielen untauglichen Versuchen, an der deutschen Sprache
herumzubasteln, weil viele sprachbildungsverarmte Mitmenschen sich berufen fühlen, die Sprache an ihre
besonders unsinnigen Ansichten anpassen zu wollen. Ich kann Frau Wehling nur empfehlen, sich nicht über
Dinge zu äußern, von denen sie so gar nichts versteht. Wir haben schon genug Sorgen mit unbrauchbaren
Rechtschreibreformen, gestelztem Genderdeutsch, rätselhaftem Beamtendeutsch, dem Senatsverbot
aller maskulinen Nomen (Uni Leipzig) und vielen anderen hirnlosen Gestaltungsversuchen in unserer Sprache - mein
Internetportal www.unipohl.de ist voll davon.
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Ich will an dieser Stelle auch mit einem anderen Beispiel zeigen, wie der sprachliche Unverstand der Politik
in Deutschland die deutsche Sprache zum Spielball hirnrissiger Verballhornungen ihres Vokabulars werden
läßt.
Ein Mitbürger aus Bayern hatte geäußert, er wolle "Neger überhaupt nicht haben". Nun ist das eine Auffassung,
die man nicht teilen kann. Solche rassisitischen Äußerungen sind in unserem Lande deplatziert und völlig
inakzeptabel. Im Zuge seiner Kritik an dieser Äußerung hat sich nun der bayerische Innenminister Joachim
Herrmann erlaubt, im September 2015 in der Talkshow "Hart aber fair" bei Frank Plasberg das Wort Neger
zu verwenden. Was für eine Verfehlung! Postwendend quittierte Plasberg den Satz mit "Holla". Und nun
stand plötzlich, man kann es kaum glauben, nicht mehr die rassistische Äußerung im Mittelpunkt der Kritik, nein,
für Aufregung und Empörung sorgte die Verwendung des Wortes Neger durch den bayerischen
Innenminister. Na, wie krank ist das denn? Aber es kam noch schlimmer. Herrmann ließ sich auch noch
darauf festnageln und begann in peinlicher Art zurückzurudern: "Ich verwende das Wort sonst überhaupt
nicht", und "Roberto Blanco war immer ein wunderbarer Neger, der den meisten Deutschen wunderbar
gefallen hat". Damit versuchte er etwas zu erklären, was nun wahrlich keiner Erklärung bedarf. Beim FC
Bayern spielten auch eine ganze Menge mit schwarzer Hautfarbe mit, und das fänden die Fans des FC
Bayern auch gut, hatte er noch in der Talkshow ergänzt.
Solch gekünstelte Empörung verstehen zum Glück nur ganz wenige Menschen. Genau so etwas passiert,
wenn man die deutsche Sprache den Politikern überläßt. Kein durchschnittlich sprachgebildeter
Deutsch-Muttersprachler käme auf die Idee, das Wort Neger sei ein Schimpfwort oder in irgendeiner
Weise "negativ belastet". Auf solch abstrusen Unsinn kommen nur sprachlich unterentwickelte Politiker und
einige Mitbürger, die ihnen zu folgen bereit sind. Kraft ihrer Macht verbreiten sie diesen Sprachunfug mit
solcher Vehemenz, daß größere Teile des Volkes beginnen, es nachzuplappern. Plasberg gehört auch zu
denen, man erkennt das an seiner quittierenden Bemerkung "Holla". Wie soll man denn die Neger nennen?
"Schwarze"? Das ist sachlich falsch, denn ihre Hautfarbe ist nicht schwarz, sondern braun. "Afrikaner" ist auch
falsch, denn nicht alle Afrikaner sind Neger. "Dunkelhäutig" ginge noch an, aber warum? Zu welchem Zweck?
Es fehlt der Sinn solcher verkrampften Sprachänderungen. Unter Politikern breiten sich absurde, ja lächerliche
Begriffe aus wie "stark pigmentierte Mitbürger mit Migrationshintergrund". Ganz toll! Die Urheber solcher
Absurditäten sind die Leute, die auch nicht mehr Schubkarre sagen, sondern "Dreiseitenkipper"; und nicht
mehr Baum, sondern "raumübergreifendes Großgrün". Von solchen Leuten habe ich auch schon
"Personenvereinzelungsanlage" gehört, wofür normale Menschen Drehtür sagen. Dies sei Amtsdeutsch,
so sagt man. Es sind jedoch nur untaugliche Bestrebungen, kraftstrotzend die deutsche Sprache nach
einzelnen ganz persönlichen Auffassungen manipulieren zu wollen und diese ganz persönlichen
Fehlhaltungen allen anderen aufzuzwingen, indem man es so darstellt, als seien solche Begriffsänderungen
völlig normal und vor allem: staatlich vorgeschrieben. Ja, das ist nicht übertrieben, der deutsche Staat schreibt
mit gesetzesähnlichen Festlegungen vor, wie die Deutschen denn zu sprechen hätten. Ich erinnere hier nur
an die gräßliche Verstümmelung der Straßenverkehrsordnung, nach der wir uns seit 1. April 2013 zu richten
haben. Per Gerichtsbeschluß sind sogenannte "geschlechterneutrale Formulierungen" eingeführt worden,
angeblich um den Frauen gerecht zu werden. So ist aus einer wichtigen gesetzlichen Bestimmung eine
Karikatur geworden, die wie eine Satire anmutet, und die nun mit dieser "Überarbeitung" erhebliche juristische
Fehler enthält. Mehr dazu hier.
Nun gibt es zu den sogenannten "negativ belasteten Begriffen" viele Foren und Listenaufstellungen, die
ich allesamt für völlig unsinnig halte. Sie suggerieren, daß man bestimmte deutsche Wörter aus dem Vokabular
streichen sollte, weil sie vermeintlich falsch verstanden werden könnten, weil sie, wie man hochtrabend sagt,
"negativ belastet" seien. Wenn man zum Beispiel nicht mehr "Führer" sagen soll, weil einige mit dem Begriff
Hitler assoziieren, müßte man auch das Wort "trinken" vermeiden, weil es für manch einen Alkoholmißbrauch
bedeutet. Mit dieser Haltung müßte man Tausende deutscher Wörter aus der Sprache streichen. Ich bin mit
Joachim Herrmann einer Meinung, daß Roberto Blanco ein wunderbarer Neger ist. Für diese Aussage ist keine
Rechtfertigung nötig und auch keine "Relativierung", wie von einigen Fanatikern gefordert. Ich ignoriere
solch tendenziöses Getue, mit dem sich einige offenbar für sehr wichtig halten. Die deutsche Sprache hat
eine über Jahrhunderte gewachsene Morphologie, die weder dem Willen staatlicher Einrichtungen noch
den Absichten einiger Sonderlinge unterliegt. Die Sprache gehört dem Volk.