bearbeitet: 12.04.2013
Analyse vom: 17.04.2013
Ergänzung vom 06.07.2018
Die grausame Verstümmelung einer wichtigen gesetzlichen Bestimmung:
Am 28.03.2013 hatte ich an buergerinfo@BMVBS,bund.de geschrieben:
Sehr geehrte Damen und Herren,
wenn die Straßenverkehrsordnung nach den Vorgaben des Bundesjustizministeriums in der vorgeschlagenen
Weise (sogenannte "geschlechterneutrale Formulierungen") umformuliert wird, riskieren Sie, daß man sie nicht
mehr ernst nimmt. Die meisten Deutschen empfinden diese Schreib- und Sprechweise als Karikatur, als Verunglimpfung.
Die Straßenverkehrsordnung wird der Lächerlichkeit preisgegeben. Es wird ein Satireblatt daraus gemacht. Es ist
geboten zu überlegen, ob man das für ein so wichtiges gesetzliches Dokument verantworten kann.
Mit ernstem Bedenken
Dr. Manfred Pohl
Nun ist das "Werk" in Kraft. Seit 1. April. Ein Schelm, wer Arges dabei denkt.
Der Spiegel hat das Thema
unter www.spiegel.de behandelt:
Ab jetzt nur noch "Mofa Fahrende"
Endgültig Schluss macht die neue Straßenverkehrsordnung aber mit der angeblichen Geschlechterdiskriminierung:
Die Vorschriften sind nun "an das Erfordernis der sprachlichen Gleichbehandlung von Frauen und Männern"
angepasst, heißt es in der Begründung zu dem Verordnungsentwurf.
Im Gesetzestext ist deshalb zum Beispiel nicht mehr von "Fußgängern" die Rede, sondern von "zu Fuß Gehenden".
Auch "Mofa Fahrende" tauchen nun auf, und aus "Fahrzeugführer" wurden "Fahrzeugführende". Diese
geschlechterneutrale Formulierung erklärt eine Sprecherin des Bundesverkehrsministeriums auf
www.süddeutsche.de, "ist
für Gesetzgebungsverfahren bereits seit geraumer Zeit vorgeschrieben".
Aha! Die Sprache gehört also jetzt nicht mehr dem Volk, sondern der Justiz, sie
wird "vorgeschrieben".
Aber was ist nun dadurch besser geworden? Bei "Fußgänger" war alles klar. "Die Fußgänger" sind nach
normalem Verständnis der deutschen Sprache - sowas fehlt aber unseren Politikern - Männer und Frauen.
"Die zu Fuß Gehenden" sind auch Männer und Frauen, nur in einem völlig verpfuschten Deutsch. Will man
nun einen konkreten Fußgänger benennen, hat man zur Unterscheidung den Artikel: "Der zu Fuß Gehende"
oder "die zu Fuß Gehende". Das ist also auch nicht "geschlechterneutral", nur sieht man es an den Morphemen
nicht. Vorher war es viel klarer: "Der Fußgänger" und "die Fußgängerin". Und daß das grammatische Genus
eines Begriffes mit dem biologischen Geschlecht des Begriffsträgers überhaupt nichts zu tun hat, erklären
Sprachwissenschaftler seit vielen Jahren. Bei den Politikern finden sie kein Gehör. Können sie auch nicht,
denn die verstehen kein Deutsch, wie man sieht. Außerdem hat man bei der Umformulierung völlig außer acht
gelassen, daß ein zu Fuß Gehender etwas anderes ist als ein Fußgänger.
Weiter aus dem Spiegel:
Den
Auto Club Europa (ACE) ärgert
diese Anpassung offenbar. Verkehrsminister Peter Ramsauer habe
wohl "kurzerhand einen Studienabbrecher im Fach Germanistik" zur Ausformulierung der StVO engagiert,
mutmaßt Volker Lempp, Leiter Verkehrsrecht beim ACE, in einer Pressemitteilung.
Als "Manifest zur Gleichbehandlung der Geschlechter" betitelt der ACE spöttisch die neuverfasste Verkehrsordnung.
Ramsauer, so heißt es weiter, sei dabei nicht mal richtig konsequent gewesen: Immer noch ist in den Paragrafen
stur von "Polizeibeamten" die Rede - ein Affront gegen alle Polizistinnen.
Dazu ist keine Erklärung mehr nötig. Nicht zufällig scheint mir dieses neue "Werk"
am 1. April in Kraft gesetzt worden zu sein. Ein Hoch der politischen Volksverdummung! Zum Glück wird es
beim Versuch der Verdummung bleiben. Denn die Masse der Deutschen wird niemals so reden. Da wird es
wie bisher Autofahrer, Radfahrer und Fußgänger geben.
Es gibt so viele kluge Deutsche. Warum nur werden wir von den Dümmsten regiert?
Analyse vom 17.04.2013
Nun habe ich die Straßenverkehrsordnung vom 01.04.2013 genau gelesen. Dabei ist ein sehr bedenkliches Bild
von der Art und Weise entstanden, in der die Überarbeitung ausgeführt wurde. Die sachlichen Änderungen in
der überarbeiteten Fassung sind geringfügig. Jedoch mit den sprachlichen Änderungen, mit denen eine
angebliche sprachliche Gleichbehandlung von Frauen und Männern erreicht werden soll, hat man eine solche
Verstümmelung eingebracht, mit der die Glaubwürdigkeit der Ordnung und der Respekt vor ihr in der Bevölkerung
im Grundsatz ruiniert worden sind. Man muß bedenken: Es gibt in Deutschland geschätzte 54 Millionen
Fahrerlaubnisinhaber, das sind etwa 85% aller Erwachsenen. Sie alle müssen sich intensiv mit dieser Ordnung
befassen, um die Abläufe im Straßenverkehr sicher beherrschen zu können, und sie müssen sich auf den Text
dieser Ordnung vollständig verlassen können. Nach der Überarbeitung ist das nicht mehr gewährleistet. An
vielen Textstellen wurden Veränderungen vorgenommen, an anderen wiederum nicht, so daß nun zwei
unterschiedliche Sprachkonzepte eingearbeitet wurden, von denen aber eines völlig unsinnig und irreführend ist.
Dadurch entstehen Zweifel und unlösbare rechtliche Probleme bei der Anwendung der StVO. Nachfolgend
betrachte ich die wesentlichen Probleme im einzelnen und füge am Ende den Zugriff auf eine Datei an, in
der die Änderungen detailliert aufgelistet sind.
Die Ersetzungen
An 111 Textstellen wurden die Begriffe Fußgänger, Radfahrer, Fahrzeugführer, Verkehrsteilnehmer, Reiter und mehrere
andere durch die Begriffe "zu Fuß Gehender", "Rad Fahrender", "Fahrzeug Führender", Teilnehmender am Verkehr",
"Reitender" und weitere ersetzt. Das Ersetzen erfolgte auf der Grundlage einer gerichtlichen Festlegung über sogenannte
"geschlechterneutrale" Formulierungen. Da aber sicher einigen Ausarbeitern der StVO selbst aufgefallen ist,
welch unsäglicher Unsinn mit dem Ersatz der Nomen durch Partizipien betrieben wird, greift man an vielen
Stellen zu den gleichfalls unbrauchbaren Formulierungen wie "wer zu Fuß geht" oder "wer ein Fahrzeug führt".
Unbrauchbar sind diese Formulierungen, weil sie verwaschen und unkonkret sind und die Personen nicht
klar benennen.
Außerdem habe ich festgestellt, daß durch die Umformulierung nun auch 17 sachliche Fehler
enthalten sind, bei denen durch das Ersetzen der Nomen ein fehlerhafter Bezug entstanden ist.
Zu dieser Überarbeitung stelle ich folgendes fest:
Die andere Seite
An 46 Textstellen wurde das Ersetzen der Nomen durch Partizipien unterlassen. Warum das so ist, kann ich nicht
feststellen. Es gibt dafür mehrere Vermutungen:
Die Unterlassung des Ersetzens der Nomen ist jedoch unter Berücksichtigung der an anderen Stellen vorgenommenen Ersetzung nicht ohne sachliche und juristische Konsequenzen. Es ist nicht möglich, mit zwei völlig unterschiedlichen sprachlichen Konzepten innerhalb ein- und desselben Dokumentes durchgehend einheitliche Festlegungen zu treffen. Dies zu zeigen, sollen drei Beispiele genügen.
Wenn man also die deutsche Sprache verunstaltet, das zeigen die Beispiele, dann muß man sie juristisch zwingend
konsequent verunstalten, weil im Falle von Nachlässigkeiten Gesetzeslücken und gesetzliche Freiräume entstehen,
die nicht beabsichtigt waren. Besser jedoch wäre, sprachliche Auswüchse nach dem Willen einiger weniger, die nicht den
Auffassungen der deutschen Sprachgemeinschaft entsprechen, zu vermeiden und die in jahrhundertelanger natürlicher
Sprachentwicklung gewachsenen syntaktischen und morphologischen Regeln endlich zur Kenntnis zu nehmen.
Die Schlußfolgerung
Insgesamt muß festgestellt werden, daß die StVO in der Fassung vom 06.03.2013, in Kraft seit 01.04.2013, ein sprachliches,
sachliches und juristisches Debakel ist. Durch ungenaue, falsche und indifferente Sprache ist sie zu einer unbrauchbaren
Karikatur geworden, die den Verkehrsteilnehmern Beliebigkeit im Verhalten ermöglicht, und die die Ernsthaftigkeit der
Festlegungen in Zweifel setzt. Beim Lesen der Ordnung kann man sich als Deutsch-Muttersprachler aufkommender
Peinlichkeit nicht mehr entziehen. Die Wiederherstellung des im Interesse aller Verkehrsteilnehmer liegenden dringend
notwendigen Respektes vor der Straßenverkehrsordnung kann nur durch eine erneute Überarbeitung erfolgen, mit
der sie auf eine exakte deutsche Sprache zurückgesetzt wird, in der jegliche populistische Verunstaltung des
Wortlautes unterlassen wird.
Ausführlich können die Textstellen der Verunglimpfungen im Text der StVO einerseits und der Unterlassung der Verunglimpfung
andererseits hier nachgelesen werden.
Nachtrag vom 06.07.2018:
Blind, taub oder völlig inkompetent
Bereits im Jahre 2013 hatte ich mich nach der Veröffentlichung der StVO in der "überarbeiteten" Fassung an
das Bundesverkehrsministerium gewandt, habe jedoch keine Antwort erhalten. Nun habe ich es noch einmal
versucht.
Von: Dr. Manfred Pohl [unipohl@aol.com]
An: Buergerinfo, BMVI [Buergerinfo@bmvi.bund.de]
Datum: 30.06.2018 - 14:41 Uhr
Betreff: StVO
Sehr geehrte Damen und Herren,
bitte lesen Sie meinen Beitrag unter http://www.unipohl.de/StVO.htm. Ich habe bereits vor einigen Jahren
versucht, Ihre Behörde auf die darin geschilderten Probleme aufmerksam zu machen, habe jedoch nie eine
Antwort erhalten. Ich bitte Sie, mir nach dem Lesen meines Beitrages mitzuteilen, ob Sie der Meinung sind,
daß diese Probleme nicht existieren.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Manfred Pohl
Und hier ist die Antwort aus dem Bundesverkehrsministerium:
Von: Buergerinfo, BMVI [Buergerinfo@bmvi.bund.de]
An: Dr. Manfred Pohl [unipohl@aol.com]
Datum: 05.07.2018 - 12:20 Uhr
Betreff: Az:: L 24 - MB 9504 StVO - Geschlechtsneutrale Formulierungen
Sehr geehrter Herr Dr. Pohl,
vielen Dank für Ihre E-Mail.
Die Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) steht im Einklang mit nationalen und internationalen Vorgaben. Dem
Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur liegen keine Erkenntnisse vor, dass die Sicherheit
und Leichtigkeit des Straßenverkehrs durch die Verwendung von sog. geschlechterneutralen Formulierungen
beeinträchtigt würde.
Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrag
Ihr Bürgerservice
Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur
Referat L 24 - Bürgerservice, Besucherdienst
Invalidenstraße 44
10115 Berlin
Tel.: 030 - 2008 - 3060
Fax: 030 - 2008 - 1942
E-Mail: buergerinfo@bmvi.bund.de
Internet: www.bmvi.de
Tag der offenen Tür am 25. und 26. August im BMVI:
Vorbeikommen, informieren, erleben!
Diese Antwort ist eine Spottschrift auf die Logik. Etwa so, als ob mir jemand auf die Frage, ob Wasser
durchsichtig sei, antwortet, "dazu liegen uns keine Erkenntnisse vor, Käse schmeckt auch gut".
Es gibt drei mögliche Gründe für eine solche Antwort:
1. Der angegebene Beitrag ist nicht gelesen worden.
2. Die genannten Probleme sind nicht verstanden worden.
3. Das BMVI hat kein Interesse an der Klärung der Probleme.
Nun könnte ich ja den Tag der offenen Tür am 25. Und 26. August nutzen, um meine Bedenken persönlich
vorzutragen. Ich habe aber meine Zweifel, daß dies zu besseren Ergebnissen führen würde. Wenn man
schon im Schriftverkehr so unqualifizierte Antworten erhält, ist beim mündlichen Vortrag wohl schwer mit
einer verantwortungsvollen Lösung zu rechnen. "Vorbeikommen, informieren, erleben!" wird sich wohl
als ebensolche leere Phrase wie die Antwort auf meine Anfrage offenbaren.