bearbeitet: 30.06.2010
Wohin geht das heutige Deutsch?
Eine Wehklage über unsere Muttersprache
Das deutsche Volk ist weltweit das einzige, das sich seine Sprache zerstören läßt; und es leistet selbst
dazu seinen Beitrag! Auch andere Völker deutscher Zunge sind nicht frei davon. Nachfolgend einige
Tendenzen der Zerstörung.
- Mit einer sintflutartigen Überschwemmung des Deutschen mit anglo-amerikanischem Vokabular
werden immer mehr deutsche Wörter aus der Sprache verdrängt. Zum Beispiel gerät
durch andauernden Gebrauch von cranberry in Vergessenheit, daß es sich um Moosbeeren
handelt. Pampelmusen werden zugunsten der grapefruites ausgemerzt. Es heißt auch nicht
mehr Gemeinschaftsempfang oder öffentliches Fernsehen, sondern public viewing.
Es gibt Tausende solcher Ersatzwörter. Wird an beliebiger Stelle etwas neues gemacht, muß es
zwanghaft englisch benannt werden. Beredtes Beispiel: "East gate" - ein Handelszentrum
mitten in Berlin. Der Lausitzring heißt Euro speedway, das Leipziger Zentralstadion,
so ein Vorschlag, soll in Red Bull Arena umbenannt werden und massenhaft anderes. In
dieser Manie entstehen dann auch recht kuriose Ausrutscher, wie das Angebot von body bags
(Leichensäcke) als Rucksäcke oder graved Lachsfleisch (eingraviert, geschnitzt oder
gegraben) oder smoky fish (rauchender Fisch), weil viele unbedingt etwas Englisches machen
zu müssen glauben, auch wenn sie es gar nicht können. So kann man als Ursache eindeutig Angeberei
erkennen.
- Aus reiner Profitgier stülpen Medienkonzerne den deutschsprachigen Völkern eine Rechtschreibreform
über, die keines der Völker haben wollte, die keinerlei auch noch so geringen Nutzen bringt, aber nicht
mehr korrigierbaren Schaden anrichtet. In einem weltweit einmaligen Vorgang wurde das deutsche
orthographische Regelwerk in seiner Gesamtheit beseitigt und durch ein anderes, zum überwiegenden
Teil völlig unbrauchbares, ersetzt. In geheimen Sitzungen der sogenannten Reformkommission - später
dann des Rates für deutsche Rechschreibung - wurden Teile der Reform vorbereitet und den Völkern in Eile
vorgesetzt, um deren Widerspruch im Keim zu ersticken. Die meisten der Kommissionsmitglieder waren zur
Ausarbeitung der Reform weder fachlich geeignet noch durch das Volk autorisiert. In der Schlußphase
der Reform waren Sprachwissenschaftler in der Kommission nicht mehr vertreten.
- Politiker verunstalten die deutsche Sprache mit einem unbegreiflichen Feministendeutsch, belegt
mit dem inhaltlich und auch sprachlich zweifelhaften Begriff "political correctness", (selbst die sogenannte "politische
Korrektheit" muß natürlich englisch benannt werden) in dem ohne Unterlaß
ständig weibliche und männliche Formen in bizarrer Doppelnennung vorhanden sein müssen, z. B.
Studentinnen und Studenten, Schüler und Schülerinnen, Bürgerinnen und Bürger.
Das grammatische Genus der allgemeinen Formulierung geht allmählich verloren, es wird ausgerottet, da es mit
dem biologischen Geschlecht des Inhabers der Formulierung gleichgesetzt wird. Die Ursachen dafür sind schnell als
langfristige Wahlpropaganda zu entlarven. Frauen sind ein großes Wählerpotential, um das Politiker
mit allen Mitteln buhlen zu müssen glauben. Die Zerstörung der Sprache wird dabei billigend in Kauf genommen.
Die Heuchelei dieser Formulierungsexzesse wird auch daran deutlich, daß die zwingende Doppelnennung wegfällt,
wenn sie nicht in den Wahlpopulismus paßt: Kein Politiker sagt Täterinnen und Täter, Verbrecherinnen und
Verbrecher oder Mörderinnen und Mörder. Da die schriftblasenhafte, immerwährende
Doppelnennung auch den Verursachern selbst auffällt, bleibt mit kuriosen Schreibungen wie der/die StudentIn oder
Student/in, der/die SchülerIn oder Schüler/in am Ende die Orthographie auf der Strecke.
Das Ausweichen auf Partizipien, z. B. der Studierende anstelle der Student, der Lernende anstelle
der Schüler ändert nichts an der Misere, sie ist lediglich wegen der Formenkongruenz maskuliner
und femininer Partizipien mit bestimmtem Artikel und im Plural mit oder ohne Artikel nicht sofort sichtbar (der
Studierende, die Studierende, Plural: Studierende, die Studierenden). Beschädigt wird durch diesen
Partizipismus jedoch das Sprachgefühl, weil suggeriert wird, ein Studierender sei dasselbe wie ein Student, ein
Lernender sei dasselbe wie ein Schüler.
- In keiner anderen Sprache wie der deutschen findet man in der mündlichen Rede eine ähnliche
inflationäre Aufschäumung mit Diskurspartikeln wie ääh oder
äähm. Manche Redner malträtieren ihre Zuhörer mit einer so großen
Menge davon, daß man nicht mehr zuhören mag. Und dies sind durchaus nicht sprachlich
ungebildete Menschen - die Unsitte ergreift alle Schichten: Germanisten, Journalisten, Politiker, Künstler,
Wissenschaftler, sogar Moderatoren in den Medien. Wenn man nichts mehr zu sagen hat, beendet man seine Rede
mit ääh, ja. Gradezu grotesk ist die "Feststellung" in der Freien Enzaklopädie Wikipedia,
Diekurspartikel hätten "interaktionsstrategische" Bedeutung. Ob die Verfasser wohl selber wissen, was das bedeuten
könnte? Hinzu kommen oft
sehr viele Füllfloskeln und -wörter, wie halt, irgendwie, irgendwo, irgendwas, sag ich mal und
andere, die keine Aussage haben, häufig nicht in den Satz passen, lediglich die Rede überfüllen und
häßliche Sprachangewohnheiten offenbaren. Die Ursache dafür ist vermutlich in Großspurigkeit zu
finden, im Drang zu reden, wenn man noch gar nicht weiß, was man sagen will, in der Befürchtung,
daß einem in einer Denkpause zum Zwecke des Formulierens das Wort abgeschnitten und an einen
anderen abgegeben wird.
- Eine andere Art der Sprachverballhornung ist die Verwendung einer Vielzahl Grunz-, Blök-, Quiek-
und Pieplaute, die offenbar aus dem Tierreich stammen, allenfalls keiner menschlichen Sprache zuzuordnen
sind. Insbesondere nachfolgende Generationen greifen diese lautmalerische Art der Äußerung auf
und versuchen damit ihre Zuhörer zu beeindrucken. Das geht einher mit einer banalen Versimplifizierung
der grammatischen Formen, die ordentliche Ausdrucksweisen vermissen läßt. Zum Beispiel wird ein
Konjunktiv dort, wo er hingehört, kaum noch verwendet, ein sehr bedauerlicher Prozeß der Sprachentwicklung,
ist doch die deutsche Sprache sehr reich an Formen der Konjunktivbildung. So geht alles Bemühen um
hohe Sprachkultur verloren zugunsten einer Hick-Hack-Sprache ohne grammatische Feinstruktur.
- In Kreuzworträtseln findet man eine Tendenz, Begriffe künstlich als veraltet darzustellen. Sind, um
zwei Beispiele zu nennen, etwa Knecht oder Magd veraltete Wörter, die man nicht mehr
verwendet? Wie sollen denn die Tätigkeitsfelder früherer landwirtschaftlicher Mitarbeiter benannt
werden? Heißt also, der gesellschaftliche Status der genannten Menschen ist veraltet, nicht aber die Wörter.
Oftmals wird auch Lehrling als veraltet angegeben, vermutlich wegen des heute allgemein verwendeten
Begriffes Azubi. Schlecht beraten ist man damit aber schon deshalb, weil letzteres wohl nicht zu den
gelungenen Sprachschöpfungen gezählt werden kann. Mit solchen unüberlegten Einstufungen wird
eine willkürliche Sprachverarmung herbeigerufen, mit der Hunderte Wörter als nicht mehr
verwendungswürdig abgetan werden sollen.
- In diversen Internetforen graust es einem zu lesen. Dort gibt es offenkundig überhaupt keine
Rechtschreibung mehr. Die meisten schreiben mit völliger Regellosigkeit, so daß man mitunter Mühe
hat zu erkennen, was der Schreiber denn sagen will. Die Beherrschung der Muttersprache wird nicht
mehr als ein Maß für die Bildung angesehen. Schlampige Niederschriften sind kein Anlaß mehr für
kritische Bemerkungen.
So kann man bereits heute in großer Deutlichkeit erkennen, daß der Fortlauf all dieser Tendenzen in den
Untergang, den völligen Verlust unserer Sprache münden muß. Die Menschen
deutscher Muttersprache haben den Stolz auf ihre Sprache verloren. Wenn die Abdrift der Sprache voranschreitet
wie bisher, werden unsere Nachkommen Goethe und Schiller, aber auch Heine, Kleist oder Grass, nicht mehr lesen
können, geschweige denn verstehen. Sicher werden sie dann die Werke als veraltet einstufen und aus der
Literatur entfernen wollen. Deshalb ist dringender denn je an der Entwicklung eines erweiterten Sprachbewußtseins aller
Menschen deutscher Muttersprache zu arbeiten. Dieser Prozeß muß schon im Elternhaus beginnen, und
er muß seine Fortsetzung in der Schule finden, indem die Lehrer ihre zum Großteil durch die Rechtschreibreform
verlorengegangene grundsätzliche spracherzieherische Funktion wiedererkennen und in ihrer Arbeit realisieren.