bearbeitet: 12.02.1997     

Seit über 40 Jahren fahre ich Auto. Sehr gern. Nur in meiner Jugend bin ich etwa drei Jahre lang Motorrad gefahren. Jeder autofahrende Mensch wird mir sicher bestätigen, daß der Straßenverkehr in den neuen Bundesländern nach der Abverfügung der ehemaligen Machthaber sehr viel interessanter geworden ist. Nun wird es stets Leute geben, die auch in diesem Metier immer alles besser wissen und können, deshalb erlebt man besonders im Straßenverkehr desöfteren Dinge, die den einen oder anderen zum Staunen, zum Lächeln oder zum Verzweifeln bringen, je nach Lage des eigenen Charakters. Das Thema reizt geradezu zu einer satirischen Darstellung. Ich selbst bin auch ein Freund scharfer Satire. So habe ich denn auch Zeit gefunden, bestimmte allbekannte Situationen, die ein jeder sicher schon erlebt hat, mit spitzer Zunge zu Papier (in unserem Falle zu Datei) zu bringen. Wie stets in einer Satire ist auch hier bei aller Übertreibung ein ernster Hintergrund nicht zu übersehen. Schließlich ist das ja der elementare Sinn einer Satire. Beim Lesen soll man einerseits Vergnügen haben, andererseits aber auch nachdenklich werden. Manch einem verhilft Satire auch durchaus zu verstärkter selbstkritischer Haltung. Das bewirkt dieses eigentümliche Phänomen des Spiegelvorhaltens.


Einige kurz kommentierte Regeln vorteilhaften
Verhaltens im Straßenverkehr
für Fortgeschrittene

Scharf beobachtet und zusammengestellt von Manfred Pohl

0. Einleitung

Die exakte Befolgung aller Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung ist für den Autofahrer zweifelsfrei eine sehr wichtige Handlungsgrundlage. Aber die Straßenverkehrsordnung ist eben ein Gesetz und kann deshalb bei aller Bemühung um Vollständigkeit und Genauigkeit nur grundsätzliche Dinge beschreiben, die dann erst durch das Leben in ihren verschiedenen Auslegungen und Deutungen ihren vollen Inhalt offenbaren können. Die vielen Feinheiten und Nuancen für das Verhalten im Straßenverkehr erlernt man erst in der Praxis des täglichen Umherfahrens, im hautnahen Kontakt mit den Mitmenschen auf der Straße. Nur dort erlangt man das Gespür für den Handlungsspielraum, den diese von Millionen Menschen peinlich genau studierte Ordnung auszuschöpfen gestattet. Hier gilt wie auch anderswo der allgemeine Grundsatz, daß man Erfahrungen nicht vermitteln kann, jeder muß sie selbst sammeln. Es soll aber dennoch wenigstens versucht werden, einige dieser unter Umständen enorm nützlichen Erkenntnisse nachfolgend zu erläutern bzw. zu kommentieren. Wenn Sie, geneigter Leser, in einigen der Darlegungen Ihre eigene Handlungsweise wiedererkennen, so ist Ihr Lernprozeß schon gut vorangekommen. Sie gehören dann zu den Fortgeschrittenen. Sollten Sie beim Lesen zu der Überzeugung gelangen, daß alle Ausführungen für Sie nur banale Selbstverständlichkeiten sind, daß sie nur die von Ihnen sicher beherrschten fahrerischen Kenntnisse und Fähigkeiten beschreiben und nichts neues bringen, gehören Sie zweifelsfrei zu den Spitzenkräften am Lenkrad. Sie tun dann auch gut daran, jeden fühlen zu lassen, daß Sie der einzige Mensch in Europa sind, der richtig autofahren kann, während alle anderen zu denen gehören, die das sowieso nie begreifen und deshalb besser ihre Fahrzeuge abschaffen und ihre Führerscheine zurückgeben sollten. Hier nun also einige Details, deren Beachtung den Straßenverkehr noch interessanter zu gestalten vermag, als er es ohnehin in der heutigen Zeit schon ist.

1. Fahrgeschwindigkeit

1.1. Allgemeines

Die Fahrgeschwindigkeit richtet sich stets nach der Strecke, die Sie befahren. Die Festlegungen der Straßenverkehrsordnung und die Streckenbeschilderung sind Empfehlungen mit relativ breiten Toleranzen. Schnellfahren ist immer dort gefragt, wo es schwierig ist: in Ortschaften, auf engen Straßen, bei sehr dichtem Verkehrsaufkommen. Schnellfahren auf der Autobahn ist keine Kunst, dort sollte man sich mit gemessenem Tempo bewegen.

1.2. Fahrgeschwindigkeit innerhalb und außerhalb von Ortschaften

Fährt jemand auf einer einspurigen Straße mit der höchstzulässigen Geschwindigkeit vor Ihnen her, sei es in der Stadt oder auf der Landstraße, so fahren Sie am besten so dicht wie möglich auf und geben ihm durch nervöses Hin- und Herlenken zu verstehen, daß er Sie behindert. Falls er das in seinem Rückspiegel nicht sofort bemerkt, senden Sie ihm einen langen Hupton. Sollten Sie wegen Gegenverkehrs nicht überholen können, setzen Sie dennoch öfter weit ausladend zum Überholen an, um dann sofort wieder abzubremsen. Dies begleiten Sie mit deutlichem Kopfschütteln zum Zeichen, daß Sie seine tränige Fahrweise überhaupt nicht verstehen können. Sobald sich eine Chance zum Überholen bietet, feuern Sie an ihm vorbei, zeigen Sie ihm, wie knapp man sowas machen kann, führen Sie ihm vor, was eine Maschine in solchen Fällen zu leisten vermag, wenn nur der richtige Fahrer dransitzt. Der Vorgang beeindruckt natürlich vollendet, wenn Sie dabei eine Pose absoluter Überlegenheit, gepaart mit einem Hauch von Lässigkeit einnehmen. Das müssen Sie aber vorher ausreichend geübt haben.

1.3. Fahrgeschwindigkeit auf der Autobahn

Haben Sie auf einem Autobahnabschnitt, der auf 100 km/h begrenzt ist, eine Geschwindigkeit von 90 km/h erreicht, so orientieren Sie sich streng nach vorn. Der nachfolgende Verkehr ist für Sie nun völlig ohne Belang. Wenn Sie ein langsameres Fahrzeug überholen wollen, so können Sie ohne Sorge auf die linke Fahrspur einwechseln, auch wenn andere Fahrer hinter Ihnen außer Vollbremsung keine Überlebenschance mehr sehen. Dieser erzieherische Einfluß muß sein, handeln Sie deshalb kühn und kurzentschlossen. - Seien Sie sich bewußt: Sie sind hier der alleinige Beherrscher der Situation, Sie haben jetzt alle im Griff, Sie haben die Macht, die anderen zur widerspruchslosen Anerkennung Ihrer Fahrtechnik zu zwingen, nur nach Ihnen haben sich die anderen zu richten, denn viel schneller dürfen die ja sowieso nicht fahren.

Wenn Sie sich einer größeren Anzahl langsamerer Fahrzeuge nähern, z. B. LKWs, die in Abständen bis zu 400 m fahren, dann bleiben Sie ruhig links, bis Sie alle überholt haben. Nehmen Sie dabei hin und wieder das Gas weg, fahren Sie 70 bis 80, Eile schafft Hektik und ist fehl am Platze. Die Fahrer der sich hinter Ihnen aufstauenden Kolonne werden sehr bald erkennen, wie beruhigend Ihre Fahrweise auf den übrigen Straßenverkehr einwirkt. Sollte jemand das nicht begreifen und Sie rechts überholen wollen, können Sie das durch mäßiges Gasgeben solange verzögern, bis Sie den nächsten LKW erreicht haben. So kann er nicht vorbei und hat nun selbst den Schaden: Er sitzt hinter dem Brummi fest und ist außerdem aus der Kolonne heraus, in die er nun nicht wieder hineinkommt. Eine Weile ist er auf diese Weise neben Ihnen, scheuen Sie sich in dieser Phase nicht, ihn mit den üblichen gestischen und mimischen Mitteln zu beschimpfen - das Recht ist auf Ihrer Seite.

2. Einordnen

Will jemand sich vor Ihnen in eine Fahrzeugkolonne einordnen und gibt Ihnen diese Absicht durch rechtzeitiges Blinken bekannt, so sollten Sie ihm das durch rasantes Beschleunigen unmöglich machen. Ziehen Sie die Lücke zu. Sind Sie dann neben ihm, können Sie ihm mit dem Finger an der Schläfe das Unverschämte an seinem Vorhaben erklären und ihm bedeuten, daß er sich - wenn überhaupt - allerhöchstens hinter Ihnen einzuordnen hat. Haben Sie aber seine Absicht zu spät erkannt und es gelingt ihm das Einfahren - kann ja mal vorkommen, niemand ist fehlerlos - so können Sie ihm mit allen akustischen und optischen Signalmitteln deutlich machen, daß er ein kompletter Idiot ist. Haben Sie Ihre vordere Stoßstange möglicherweise bereits bei anderen Ereignissen leicht angeschlagen, macht es Ihnen sicher nichts aus, ihn vorsichtig zu rammen, um Ihrer Erklärung gebührenden Nachdruck zu geben. Achten Sie aber dabei auf seine Hängerkupplung!

Mit der alten Unsitte, in solchen Situationen den Fuß vom Gas zu nehmen und dann auch noch den Fahrer mit Hand- oder Lichthupenzeichen in die Kolonne einzuwinken, müssen Sie brechen. Sie zeigen damit zu viel Nachgiebigkeit, eine Charakterschwäche, die Verärgerung bei den Fahrern der Ihnen folgenden Fahrzeuge schafft.

3. Vorfahrt

Handeln Sie stets nach dem Grundsatz, daß an Straßenkreuzungen und -einmündungen Vorfahrt hat, wer zuerst da ist. Das Heranfahren an Vorfahrts- oder an Stopschilder führt man zweckmäßig rasant aus, um dann kurz und scharf zu bremsen. So veranlaßt man häufig den vorfahrtsberechtigen Verkehr aus dem Schreck heraus zum Anhalten. Wenn Sie sich davon überzeugt haben, können Sie nun gefahrlos von Ihrer erkämpften Vorfahrt Gebrauch machen.

4. Überholverbot

Im Überholverbot ist es vorteilhaft, stets 10 bis 20 km/h langsamer als zulässig zu fahren. In sehr kurzer Frist befinden Sie sich dadurch an der Spitze einer langen Kolonne und können nun das herrliche Gefühl auskosten, im Besitz einer Führungsposition zu sein. Das stärkt das Selbstbewußtsein und erhöht gegebenenfalls Ihre Autorität bei den Mitfahrenden in Ihrem Fahrzeug.

5. Überholen

Das Überholen erfordert immer dann besondere Verhaltensregeln, wenn Sie sich in längeren Fahrzeugkolonnen befinden. Prinzipiell fahren Sie am besten stets eine halbe bis eine Fahrzeugbreite links aus der Kolonne heraus. So sorgen Sie dafür, daß Sie keine Möglichkeit zum Hineinhechten in eine erreichbare Lücke vor Ihnen verpassen, gleichzeitig verhindern Sie, daß Sie von anderen überholt werden. Außerdem können Sie auf diese Weise die Größe der anvisierten Lücke besser abschätzen - anderthalb Fahrzeuglängen sind vollständig ausreichend. Lassen Sie sich beim Einwechseln in die Lücke vor allem nicht von dem optischen und akustischen Gemecker der ewigen Nörgler hinter Ihnen beeindrucken, machen Sie denen durch weiteres forsches und riskantes Vorankämpfen klar, daß Sie ohnehin nicht lange in dieser Lücke sitzenbleiben wollten. Bringen Sie dem Gegenverkehr dabei stets angemessene Vorsicht entgegen, aber fordern Sie auch, daß er nach rechts ausweicht und die zur Verfügung stehenden Randstreifen benutzt. Als besonders stark wird Ihre Fahrweise von der Umgebung empfunden, wenn Sie Mini-Cooper oder gar Trabant fahren.

6. Benutzung der Fahrtrichtungsanzeiger

Setzen Sie die Blinker immer so ein, daß Sie mit ihrer Hilfe Ihren Willen durchsetzen können. Schalten Sie sie also zeitig genug ein, so daß sie nicht übersehen werden können, andererseits aber spät genug, um Widerspruchsreaktionen nicht zuzulassen. Sehr zeitiges Blinken ist meist nur dann erforderlich, wenn Sie sich damit eine Fahrspur freischießen müssen. In diesem Falle ist es dann aber für Sie unerläßlich, das Blinken durch forsches Drängeln zu unterstützen, damit man Ihre Forderung nicht ohne weiteres ignorieren kann. Ansonsten, insbesondere beim Fahrspurwechsel auf Autobahnen, kann das Blinken kurzfristig erfolgen. In der Regel ist es ausreichend, den Blinkhebel mit dem Lenkradeinschlag mitzunehmen. Eigentlich ist das Blinken dabei überhaupt nicht notwendig, denn bei einiger Aufmerksamkeit sieht der nachfolgende Verkehr auch so, was Sie tun werden; denn er sieht ja schließlich, daß Sie Fahrzeuge vor sich haben, an denen Sie vorbei müssen. Unterlassen Sie das Blinken in jedem Falle beim Auffahren auf die Autobahn an Stellen, an denen keine Beschleunigungsspuren vorhanden sind, denn dort ist das Blinken bereits durch den Gesetzgeber untersagt. Man sieht Sie als unwissend an, wenn Sie dabei blinken. Und gucken Sie nicht so lange, fahren Sie drauf. Der fließende Verkehr weicht schon aus. Der Selbsterhaltungstrieb ist stärker, als Sie denken.

7. Befahren von ampelgeregelten Kreuzungen

Viele ampelgeregelte Kreuzungen haben in der weniger verkehrsdichten Richtung zum Teil sehr kurze Grünphasen. Besonders in diesen Richtungen können Sie ein gesundes Verhältnis zwischen Reaktionsfähigkeit und Geduld entfalten, insbesondere, wenn Sie bei Rot ganz vorn stehen. Beim Umschalten auf Grün warten Sie noch ein wenig, ehe Sie abfahren. Gelingt es Ihnen, ohne Ermahnung durch die nachfolgenden Autofahrer Grün-Gelb zu erreichen, können Sie es sogar schaffen, ganz allein durchzukommen. Ignorieren Sie aber eine Ermahnung nicht, Sie gelten sonst als einer, der Grün verpennt hat, und das wäre doch dann wider Ihre Unfehlbarkeit.

Und geben Sie beim Abfahren verhalten Gas, wenn Grün geschaltet wird, rasen Sie nicht los wie ein Geistesgestörter. Wenn Sie 250 m hinter der Kreuzung 30 draufhaben, ist es völlig ausreichend, auch wenn 80 erlaubt sind. Es sollte Sie nicht beeindrucken, wenn es weiter hinten kracht, weil die anderen dachten, daß die Kolonne nun losfährt und wegen dieser Fehleinschätzung plötzlich beim nächsten Rot mitten auf der Kreuzung wieder anhalten mußten. Sie sind dann schon viel zu weit vorn, um noch als Verursacher zu gelten.

8. Verhalten an der Tankstelle

Nicht so dicht an die Tanksäule heranfahren. Ihr Nachfolger, der die Nachbarsäule benutzen will, kann den Augenblick auch hinter Ihnen warten. Sie können sich ruhig in die Mitte zwischen den Säulenreihen stellen. Prüfen Sie dann sorgfältig, welche Tankpistole Sie einführen wollen, soviel Zeit muß sein. Wenn der Literpreis in der Anzeige erscheint und die gewählte Sorte ist Ihnen zu teuer, wechseln Sie eben noch mal. Und dann: Nicht so schnell tanken. Wenn Ihnen die Flußgeschwindigkeit bei eingerasteter Tankpistole zu schnell erscheint, lösen Sie die Raste und tanken Sie per Hand - schön langsam. Wenn Sie fertig sind, lassen Sie die Pistole gut abtropfen. Was noch drin ist, gehört Ihnen. Benzin ist teuer. Achten Sie beim Herausnehmen darauf, daß kein Tropfen daneben geht. Gelangt trotz aller Sorgfalt ein Tropfen auf den Lack, müssen Sie sofort handeln. Das Abwischen können Sie nicht verschieben. Natürlich ist den Insassen hinter Ihnen verständlich, daß Sie den Lappen erst suchen müssen. Wenn Sie das bewältigt haben, schließen Sie Ihr Auto ab, bevor Sie bezahlen gehen. Prüfen Sie das gemessenen Schrittes ringsherum. Sicherheit vor Diebstahl ist wichtig. Nun schreiten Sie zur Kasse. Schauen Sie aber erst einmal durch die Regale, vielleicht gibt es was interessantes zu kaufen, oder Sie brauchen noch etwas. Suchen Sie, wenn Sie es nicht gleich sehen, es ist mit Sicherheit alles da. Bei Notwendigkeit nutzen Sie auch die Möglichkeit, sich vom Kassierer beraten zu lassen. Wenn Sie dann wieder an Ihrem Auto sind, gehen Sie noch einmal herum und prüfen Sie Ihre Reifen durch leichte Stöße mit dem Fuß. Sie wollen ja nicht so bald wieder aussteigen. Die giftigen Blicke der Insassen der Ihnen nachfolgenden Fahrzeuge erwidern Sie mit einem höflichen Lächeln. Vielleicht lächelt sogar der eine oder andere zurück, wenn Sie dann endlich einsteigen.

9. Bemerkungen über das Verhältnis zur Polizei

Abschließend seien noch einige sehr wichtige Hinweise über das notwendige und zweckmäßige Verhältnis sowie zum Umgang mit der Polizei gegeben. Sind Sie durch wachtmeisterlichen Eingriff einmal angehalten worden, erfordert Ihr Auftreten höchstes Fingerspitzengefühl. Natürlich wissen Sie als erfahrener Motorenreiter, daß es unzweckmäßig ist, mit den Kollegen zu debattieren. Aber völlig machtlos stehen Sie ihnen in einer solchen Situation nun auch wieder nicht gegenüber. Daran müssen Sie rechtzeitig denken - schon beim Anhalten.

Schätzen Sie während des Anhaltevorganges sorgfältig alle Einzelheiten berücksichtigend die Möglichkeiten ab, Ihr Auto in ganzer Breite aufzubauen, möglichst ein wenig quer. Nach dem Aussteigen stellen Sie sich am besten einen guten Meter links von Ihrem Fahrzeug auf. Vorteilhaft wäre es, der Beamte käme nun an diesen Ihren Standort, um Ihnen seine Feststellungen vorzutragen. Wenn der Nachfolgeverkehr während des Gespräches mit dem Ordnungshüter nicht vorbei kann, ist dessen Ungeduld Ihr Vorteil. Sie haben dann viel Zeit, die Belehrung anzuhören, denn der Kollege ist gezwungen, Sie in kürzerer Frist wieder loszuwerden und kann mit Ihnen nicht in der für Sie bedrückenden polizeilichen Gelassenheit umgehen.

Andererseits seien Sie freundlich, das stimmt ihn gewogen und mildert das Strafmaß. Aber grinsen Sie nicht. Grinsen macht wütend. Das ist nicht gut, denn Sie sind zunächst einmal unterlegen. Ducken Sie aber nicht ab. Setzen Sie gezielte Bemerkungen, mit denen Sie ihn zu verunsichern suchen. Suggerieren Sie ihm z. B., daß der vermeintliche Delinquent soeben vorbeigefahren ist und Sie ein ganz anderer sind, der sich natürlich völlig korrekt verhalten hat. Gelingt das nicht, ist psychologische Wachsamkeit sowie schnelle und fehlerfreie Einschätzung der charakterlichen Beschaffenheit Ihres Gegenübers jetzt Gold wert. Beziehen Sie sich nicht auf die veröffentlichten Tabellen über Ordnungsgelder und Punkte im Flensburger Zentralregister, der zulässige Ermessensspielraum Ihres Gesprächspartners ist größer als Sie denken. Verlangen Sie nicht nach seinem Vorgesetzten, der ist sowieso nicht da. Unterstreichen Sie seine persönliche Größe. Der Ordnungshüter ist im Recht - Sie wissen das - und er auch. Lassen Sie also daran auch keine Zweifel aufkommen. Verfolgen Sie verschlagen das Ziel, ihm eine unsachliche Bemerkung zu entlocken. Wenn Ihnen das gelingen sollte, haben Sie gewonnen. Das können Sie zunächst ein wenig schroff kritisieren, dann einlenkend lang und breit auswerten, damit können Sie machtvoll die Gesprächsführung an sich reißen, vom Thema ablenken und die Unterhaltung nach Ihrem Ermessen beenden, ohne noch befürchten zu müssen, daß es zu den ursprünglich beabsichtigten Ordnungsmaßnahmen kommt.

Dieser geschilderte Ablauf gelingt natürlich nur von Meisterhand. Die Fähigkeit dazu kommt nicht von selbst. Sie müssen das trainieren. Nutzen Sie deshalb alle Gelegenheiten, sich in diesem Metier zu üben. Unausbleiblich werden Sie einige Punkte in Flensburg als das Lehrgeld ansehen müssen, das Sie dafür zu entrichten haben. Aber nichts ist umsonst. Wenn Sie den geschilderten Ablauf dann beherrschen, hat die Investition gelohnt.