bearbeitet: 17.03.2000     

Empirische Analyse eines Marktwirtschaftproblems

Nach dem Zusammenbruch des DDR-Staatsgefüges brach auch die Planwirtschaft zusammen und die Länder der ehemaligen DDR standen vor der Aufgabe, im Gefüge der freien Marktwirtschaft Fuß zu fassen. Dabei galt es zunächst, die neuen Möglichkeiten kennenzulernen und zu ergründen, wie man eine eigenständige Existenz aufbauen muß, um auf längere Sicht Erfolg haben zu können. In den Jahren nach 1990 sind im Beitrittsgebiet viele kleine und mittlere Unternehmen in verschiedensten Wirtschaftszweigen entstanden, von denen eine große Zahl nach mehr oder weniger kurzer Zeit wieder eingestellt werden mußte. Offenbar hatten sie in der Wunschvorstellung, nun befreit von staatlichen Auflagen und Zwangsvorgaben alles machen zu können, was man will, nicht erkannt, daß in der freien Marktwirtschaft objektive Gesetzmäßigkeiten wirken, deren Nichtbeachtung sich existentiell auf ein Unternehmen auswirken muß. So habe auch ich - zwar als nicht unmittelbar betroffener; ich war im öffentlichen Dienst beschäftigt - so doch aufgrund meiner allgemeinen wissenschaftlichen Interessen über viele Jahre hinweg Beobachtungen angestellt und dokumentiert, mit denen ich in die Lage versetzt wurde, zu verschiedenen Prozessen in der freien Marktwirtschaft Aussagen allgemeiner Art zu treffen und rechnerisch unterlegen zu können. Großes Interesse habe ich dabei der Preisgestaltung in verschiedenen Handels- und Dienstleistungszweigen gewidmet, weil ich sehr rasch gesehen hatte, daß viele kleinere Unternehmen durch eine fehlerhafte Preispolitik ihr vorzeitiges Aus selbst herbeigeführt haben. Dabei bin ich immer wieder auf die Frage gestoßen: Kann man mit einer Preiserhöhung den Umsatz steigern? Zur Beantwortung der Frage muß man ihr einige Rahmen anlegen. Zuerst muß man feststellen, daß der Preis nur dann dem Umsatz proportional ist, wenn das Unternehmen eine absolute Monopolstellung innehat, das heißt, wenn es konkurrenzlos auf dem Markt ist und wenn zusätzlich die Leistung des Unternehmens von einem bestimmten Kundenstamm zwingend angenommen werden muß. Das aber wußte schon Karl Marx, dazu will ich hier keine Ausführungen machen. Nur soviel: Im Mineralölgewerbe scheint es in Deutschland keine freie Marktwirtschaft im Sinne konkurrierender Unternehmen zu geben. Alles ist zentral vorgegeben, die Preise verschiedener Unternehmen differieren nur unwesentlich, was einer Monopolstellung gleichkommt. Der Kunde, der Autofahren will, muß kaufen.

Für alle anderen, nichtmonopolisierten Unternehmen konnte ich ganz allgemein beobachten, daß das Kundenpotential vom Preis abhängig ist. Um diese Aussage konkretisieren zu können, habe ich für eine größere Zahl von Unternehmen die Zusammenhänge von Preis, Kundenzahlen und Umsatz im Rahmen meiner Zugangsmöglichkeiten zahlenmäßig festgehalten. So habe ich zunächst das erwartete Ergebnis gefunden, daß Preiserhöhungen stets zu Kundenverlusten führen, und daß Preissenkungen zu Kundenzuwachs führen, wenn dies durch Werbung unterlegt ist. Ausgewertete Zahlen haben mich dann zu einer Beziehung geführt, die sich unerwartet einfach darstellt: Eine Preiserhöhung von n% führt zu einem Kundenschwund von n%. Ob diese Feststellung in der Gegenrichtung genauso funktioniert, kann ich nicht eindeutig belegen, dazu verfüge ich nicht über genügend Zahlenmaterial (Preissenkungen sind hierzulande eher die Ausnahme). Mit dem folgenden Rechengang können nun die Auswirkungen dieser Feststellung anschaulich gezeigt werden.

Umsatzentwicklung bei Preisveränderungen in nichtmonopolisierten
Handels- oder Dienstleistungszweigen

Feststellung: Preiserhöhungen führen immer zu Kundenverlusten.

Durch Beobachtung gefundene Verlustgröße:

Bei n% Preiserhöhung verliert man n% der Kunden.

Die Beobachtungen gelten für den Fall, daß konkurrierende Zweige keine Erhöhungen vornehmen.

Fragestellung:

Wie wirkt sich eine Preiserhöhung auf den Umsatz aus?

Berechnung:

Bezeichnungen:

Prozentsatz der Preiserhöhung: n (als Relativwert; Prozent = 100*n )
Ursprünglicher Umsatz: u0 Umsatz nach Erhöhung: u1
Ursprüngliche Kundenzahl: k0 Kundenzahl nach Erhöhung: k1
Ursprünglicher Preis: p0 Erhöhter Preis: p1

Aus der Hauptprämisse ergibt sich:

p1 = p0 + n*p0 = p0 * (1 + n)
k1 = k0 - n*k0 = k0 * (1 - n)

Die Umsätze berechnen sich wie folgt:

Ursprünglicher Umsatz: u0 = k0 * p0
Umsatz nach Erhöhung: u1 = k1 * p1

Damit erhält man den Umsatz nach Erhöhung:

u1 = k1 * p 1 = k0 * (1 - n) * p0 * (1 + n) = k0 * p 0 * (1 - n) * (1 + n) = k0 * p0 * (1 - n²) = u 0 * (1 - n²)

Daraus der relative Umsatz:

u1/u0 = 1 - n²

Der erhaltene Ausdruck kann mit hinreichender Genauigkeit bis zu Preiserhöhungen von 70% verwendet werden. Darüberhinausreichende Steigerungsraten sind unter der Voraussetzung, daß konkurrierende Zweige keine Erhöhung vornehmen, eher unwahrscheinlich. Die Zusammenhänge gestalten sich dann anders.

Der relative Umsatz (1 - n²) wird nachfolgend in Abhängigkeit vom Preissteigerungssatz n graphisch dargestellt.

n 1 - n² Relativer Umsatz

0,000 1,000
0,025 0,999
0,050 0,998
0,075 0,994
0,100 0,990
0,125 0,984
0,150 0,978
0,175 0,969
0,200 0,960
0,225 0,949
0,250 0,938
0,275 0,924
0,300 0,910
0,325 0,894
0,350 0,878
0,375 0,859
0,400 0,840
0,425 0,819
0,450 0,798
0,475 0,774
0,500 0,750
0,525 0,724
0,550 0,698
0,575 0,669
0,600 0,640
0,625 0,609
0,650 0,578
0,675 0,544
0,700 0,510

Allgemeine Schlußfolgerung:
Durch eine Preiserhöhung in nichtmonopolisierten Handels-
und Dienstleistungszweigen ist eine Umsatzerhöhung nicht erzielbar.