bearbeitet: 22.09.2010    

Die deutsche Sprache und ein Textileinkauf

Ein Textilieneinkauf in Potsdam - wohlgemerkt: für Männer - kann zu einem dramatischen Erlebnis werden. Man betritt ein großes Kaufhaus, Karstadt steht dran, und wird erst einmal auf Englisch niedergeknüppelt. Zehn große Schilder mit dem Aufdruck "SALE" schreien einem entgegen - pro Quadratmeter, versteht sich. Insgesamt sind es etliche Hundert. Dann geht man als Mann durch die Reihen. Man findet Fashion, Body wear, trendy Tops, Shorts, Socks, Blazer, Sweater, Fair Trades, Ring Spun Youth Tee mit Tear-Away-Label und massenhaft anderes, dessen Benennungen man erst nachschlagen muß. Am besten, man geht da gleich mit dem Wörterbuch rein. Nun sind die Sachen auch nicht schwarz oder weiß, rot, blau oder grün, nein, sie sind Black, White, Navy, Light Blue, Dark Green, Heather Grey oder Eco Green, Independence Red oder Chocolate. Man kommt in Versuchung, mit dem Verkaufspersonal englisch zu reden - aber das können die Mitarbeiter dann doch nicht. Sonst könnte man ja mal fragen, warum die Farbennamen alle großgeschrieben werden, die Amerikaner und die Briten schreiben sie doch klein, das kriegt man aber nicht raus.

Hosen, Röcke, Kleider, Pullover, Hemden, Socken und alles das, was man so braucht, gibt es nicht mehr. Man sucht auch vergeblich nach Herren- oder Damenabteilungen. Fashion for woman und Fashion for man nennt man das mit riesengroßen Buchstaben. Und dabei gerät der einkaufswillige Mann dann ins Staunen: Eine ganze Etage Bekleidung - Verzeihung - Fashion, 400 Quadratmeter für Frauen, zwei für Männer. Männer müssen sich offenbar nicht mehr anziehen. Wenn man die zwei Quadratmeter gefunden hat, kann man mit der Suche beginnen.

Ich suche Socken. Kurze Socken. Die findet man nicht. Die heißen heute Race Socks Short oder Sneakers. Aha! Sneakers gefunden. Aber nur ganz große, 43 bis 46 und darüber, und ganz kleine, unter 38. Die mittleren, also die normalen Größen, 38 bis 42, scheinen gerade alle weg zu sein. Aber gleichgültig welche Größe, alle Männer scheinen nach Ansicht der Hersteller farbenblind zu sein. Es gibt nur schwarze und weiße. Mehr brauchen Männer nicht. Weiße Socken für Männer findet meine Frau zu exaltiert, schwarze mag ich nicht. Damit kein Kauferfolg. Also lassen wir das.

Als nächstes suche ich noch eine dreiviertellange Hose, so etwas leichtes für den Urlaub. Zu viel verlangt. Entweder ganz kurze, die nichts mehr verbergen, oder ganz lange, bis zu den Schuhen. Nun bin ich keine 20 mehr, heißt, die mit dem Defekt-Look - ich bin jetzt sprachlich schon ganz angepaßt - kommen nicht in Frage. Was ich suche, gibt es nicht. Nicht mal den Artikel, geschweige denn in einer Wunschfarbe. Ich hätte sie auch in einem flotten rentner-beige genommen - auch nicht. Selbst meine Frau ist ratlos. Und das will schon etwas heißen. Was soll man tun? Wir sind wieder gegangen, ohne Socken, ohne Hose. Vielleicht versuchen wir mal eine größere Stadt. Da bliebe ja nur noch Berlin. Schauen wir mal, was daraus wird.