bearbeitet: 02.10.2004     
ergänzt: 31.07.2006     

Springer-Verlag kehrt zur normalen Rechtschreibung zurück

Ein Brief an den Chefredaktuer der "Bild am Sonntag"

03.10.2004

Lieber Herr Strunz,

wenn mich auch das Privatleben Thomas Gottschalks, gelinde gesprochen, wenig interessiert, war es doch eine innere Befriedigung für mich, in der BamS heute zu lesen, daß er ein Schloß (mit ß!) am Rhein will. Heute habe ich in der BamS auch Artikel gelesen, die ich sonst überblättere, um mich von Ihrem Schritt zu überzeugen. Lassen Sie mich sagen, ich danke für Ihre Konsequenz. Sie haben meine letzten Bedenken zerstreut. Munkelte man doch, daß in den Redaktionsstuben noch mit den Kultusministerien gefeilscht werde, das eine oder andere von der Schlechtschreibreform beizubehalten. Entweder war es nicht so, oder Sie haben sich aufrechten Gangs durchgesetzt. Ich bin über Ihren Schritt hocherfreut.

Die Frage der Frau Ruth Kemper (S. 48), ob Sie "eigentlich auch ab und zu mal nachdenken", kann ich nicht unbeantwortet lassen. Nun, Sie haben sie milde behandelt, Sie wollen ja einen Leser behalten. Ich darf es vielleicht etwas deutlicher sagen. Sie benutzt das abgegriffene Argument, daß "die jungen Leute mit der neuen Rechtschreibung aufgewachsen und vertraut" seien. Damit ist gezeigt, daß das fehlende Nachdenken wohl auf sie und nicht auf die BamS zutrifft. Die "jungen Leute" als Geisel zur Erpressung des Volkes verwenden zu wollen, ist ein schlechter Dienst am Volke. Außerdem - ich bin an einem Gymnasium beschäftigt - sind bei weitem nicht alle Schüler mit der Reform einverstanden.

Wie es scheint, ist das Zuhören wohl auch nicht Frau Kempers Sache. Hat nicht die große Masse derer, die sich professionell mit der Sprache befassen, in den letzten Jahren in Tausenden von Veröffentlichungen nachgewiesen, daß die Reform in ausnahmslos allen Teilen schlecht ist? Was hält sie denn von den Meinungen der Sprachwissenschaftler, Dichter und Schriftsteller, Journalisten, Lehrer und vieler anderer? Mal ganz deutlich: Das ist keine Reform, es ist ein Anschlag auf die deutsche Sprache. Die Dickköpfigkeit, die Sie Ihnen unterstellen möchte, ist wohl auch eher bei ihr angesiedelt. Nur nicht eingestehen, daß die Volksmehrheit das "Werk" nicht will! Nur nicht eingestehen, daß die Sprache kaputtreformiert wird! Nur nicht eingestehen, daß die Reformziele nicht erreicht wurden! Diese unverbesserliche Sturheit kannte ich bisher nur von Frau Doris Ahnen, Expräsidentin der geplatzten Kultusministerkonferenz.

Bliebe nun zu hoffen, daß dem Springerverlag andere öffentliche Einrichtungen folgen, damit der Spuk bald vorbei ist.

Unklar ist mir in der heutigen BamS-Ausgabe lediglich geblieben, warum Gottschalks Sendung nun doch noch "Wetten dass..." heißt.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Manfred Pohl

Nachtrag vom 31.07.2006

Leider muß ich heute den ganzen Brief zurücknehmen. Der Springer-Verlag schreibt ab heute nun doch wieder reformiertes Deutsch. Es ist sehr bedauerlich, daß die Lobby, die den Unfug verzapft hat, sich am Ende wohl doch gegen ein ganzes Volk durchsetzt. Demokratie ade! Wozu wählen wir eigentlich Politiker? Am Ende sind sie des Volkes Gegner.