bearbeitet: 01.11.2006
Erzwungene Getrenntschreibungen
führen zu grammatischen Fehlern
Analysiert man einfach erweitere Sätze, in dem man die Satzglieder herausfiltert, so stellt man fest, daß die sogenannten „neuen
Regeln der Getrennt- und Zusammenschreibung“, die in völlig willkürlicher Weise zusammengesetzte Begriffe getrennt zu schreiben
beabsichtigen, diese Getrenntschreibungen ohne Berücksichtigung der grammatischen Zusammenhänge im Satz vornehmen. Es
offenbart die große Oberflächlichkeit der Reform, die Probleme der Getrennt- und Zusammenschreibung mit umfangreichen Listen
für einzelne Begriffe regeln zu wollen, in der irrigen Meinung, es handle sich um rein orthographische Probleme. In Wahrheit sind
es Probleme im Zusammenhang mit der Satzbildung und der Bedeutung der einzelnen Satzglieder. Auch insofern wird deutlich, daß
die Grundsatzerklärung in den begleitenden Texten zur Reform, man wolle „dem allgemeinen Trend zur Zusammenschreibung
entgegenwirken“ an Unwissenheit und Arroganz wohl nicht mehr zu überbieten ist.
Die sogenannten „neuen Regeln der Getrennt- und Zusammenschreibung“ führen in den meisten Fällen zu grammatischen Fehlern.
Stellt man nämlich die grammatischen Fragen nach den Satzgliedern, ergibt sich für die Beispiele unten folgendes:
Beispiel 1:
Laufschrift unter dem Bildschirm im Fernsehsender Pro 7: „Ein schwerer Verkehrsunfall hat die Autobahn A10 zwischen
den Anschlussstellen Michendorf und Ludwigsfelde West gestern abend für mehrere Stunden lahm
gelegt.“ Für die Analyse sei der Satz wie folgt vereinfacht:
Der Verkehrsunfall hat die Autobahn lahm gelegt.
Wer oder was? | Der Verkehrunfall | Subjekt des Satzes |
Aussage | hat die Autobahn lahm gelegt | Prädikatsverband |
Was wird gesagt? | hat gelegt | Prädikat |
Wen oder was? | die Autobahn | Akkusativobjekt |
Wie? | lahm | Modalbestimmung? |
Hier entsteht ein Fehler in der semantischen Kongruenz: Ein Verkehrsunfall kann keine Autobahn legen, jedoch kann er sie
lahmlegen. Er kann sie aber nicht lahm legen, sonst wären die Wortfolgen „Lahm hat der Verkehrsunfall die Autobahn gelegt“
oder „der Verkehrsunfall hat lahm die Autobahn gelegt“ äquivalent. Damit ist jedoch der Satzinhalt beseitigt, die beabsichtige
Aussage des Satzes existiert nicht mehr.
Daraus folgt, daß das Prädikat des Satzes lahmgelegt heißen muß. Lahm
ist in diesem semantischen Zusammenhang keine Modalbestimmung. Durch die Worttrennung wurde in den Satz ein grammatischer Fehler
eingebracht. Richtiggestellt muß der Satz zwingend heißen:
Der Verkehrsunfall hat die Autobahn lahmgelegt.
Beispiel 2:
In der Beelitzer Zeitung war zu lesen: „Am Halloween-Tag verkleiden sich die Kinder Furcht erregend
mit Monstermasken und Gespensterkostümen.“ Für die Analyse sei der Satz wie folgt vereinfacht:
Am Halloween-Tag kleiden sich die Kinder Furcht erregend.
Wer oder was? | die Kinder | Subjekt des Satzes |
Aussage | kleiden sich am Halloween-Tag Furcht erregend | Prädikatsverband |
Was wird gesagt? | kleiden sich | Prädikat |
Wann? | am Halloween-Tag | Temporalbestimmung |
Wie? | erregend | Modalbestimmung |
Und wie lautet die grammatische Frage nach Furcht? | Es gibt sie nicht. Furcht ist kein bestimmbares Satzglied. |
Die Frage wen oder was? kann man nicht stellen. Es ist kein Akkusativobjekt, sonst würde die Furcht gekleidet.
Der Satz, der hier niedergeschrieben wurde, enthält ein nichtbestimmbares Element, welches kein Satzglied sein kann. Er ist in sich falsch.
Er enthält einen grammatischen Fehler. Eine Berichtigung ist auf zweierlei Art möglich.
Daraus folgt, daß die Modalbestimmung des Satzes furchterregend heißen muß. Der
Satz muß lauten:
Am Halloween-Tag kleiden sich die Kinder furchterregend.
In beiden Fällen führt die Getrenntschreibung zu einem grammatischen Fehler. Man kann die Begriffe nicht trennen, ohne gegen die Regeln des Satzbaus zu verstoßen. Diese Analyse verläuft in ähnlicher Weise bei Hunderten anderer Beispiele, bei denen die Rechtschreibreform die Getrenntschreibung festlegen möchte. Durch die Verbindlichkeitserklärung der Reform für die Schulen wird die Lehrerschaft folglich durch staatliche Anordnung gezwungen, die Schüler grammatische Fehler zu lehren und gegebenenfalls aufkommende richtige Schreibungen als Fehler zu bewerten. Sie wird somit in einen Gewissenskonflikt gebracht, der bereits in fortgeschrittenem Maße dazu geführt hat, daß die Lehrer aufhören, spracherzieherischen Einfluß auf die Schüler auszuüben. Damit jedoch geht eine elementare Grundaufgabe der Schule systematisch verloren.