Ersteinstellung: 14.07.2004     
Zuletzt bearbeitet: 24.10.2004     

Bildzeitung vom 13.07.2004, Seite 2:

Die Sache um die Rechtschreibreform wird nun ernst

Können die über 80% der sprach- und kulturbewußten Deutschen nun endlich aufatmen?

Als "Thema des Tages" hat das Problem der Rechtschreibreform hier einen sehr hohen Stellenwert erhalten. Nun scheint das Thema doch endlich in der Politik angekommen zu sein. Man wünschte sich nun, daß die Politiker es auch fertigbringen, im Verlaufe des verbleibenden Jahres ihre Aussagen zielstrebig zu Ende zu führen und die Reform kompromißlos aus der Welt zu schaffen. Am 01.08.2005 würde ja sonst das Schreibchaos verbindlich eingeführt werden.

Kleiner Haken am Ende: Die Bildzeitung hätte sicher an dieser Stelle ihre Autorität steigern können, wäre wenigstens dieser Artikel demonstrativ in nichtreformiertem Deutsch erschienen.


Und den nachfolgenden Artikel findet man dann gleich darauf am 14.07.2004 auf der Seite 1.

Daß die Sprache dem Volk gehört, hat ja Gerhard Schröder schon 1998 gesagt. Gut, daß sich jemand daran erinnert. Nun erwarten wir eigentlich nur noch, daß ein maßgeblicher Politiker die Initiative ergreift und die Organisation eines solchen Volksentscheids in Gang setzt. Und wenn der dann nicht wie in Schleswig-Holstein nach einem Jahr per Parlamentsbeschluß wieder außer Kraft gesetzt wird, dürfte die Vernunft am Ende doch noch siegen. Nun denn! Auf geht's!

Es folgen nun noch einige weitere Presseveröffentlichungen, die zeigen, daß Politiker sich nun zu Wort gemeldet haben und der Halsstarrigkeit der Kultusminister, die die Rechtschreibreform unter Inkaufnahme beträchtlicher Schäden für die deutsche Sprache durchsetzen wollen, entgegentreten.

Doch hier zunächst noch ein Artikel aus der Bildzeitung vom 23.07.2004, der es in sich hat:

Es ist stark zu bezweifeln, daß die hier zitierten Schriftsteller tatsächlich ihre Beiträge in reformiertem Deutsch bei der Bildzeitung eingereicht haben. Es wäre dies ein logisches Dilemma erster Ordnung. Man kann also der Redaktion den Vorwurf nicht ersparen, in diesem Beitrag eine vorsätzliche Textfälschung vorgenommen zu haben. Ein starkes Stück, wenn man bedenkt, daß sich hier ein Redakteur anmaßt, die Texte bedeutender und bekannter Schriftsteller orthographisch nach seinem eigenen Ermessen umzuarbeiten. Wir wollen nur hoffen, daß dem ganzen Spuk durch die Ministerpräsidentenkonferenz gar bald ein Ende gesetzt wird.


Bayerische Staatszeitung - Aktuell,
Ausgabe 28/2004 vom 09.07.2004

Mit Wulff zurück nach vorne
Die bewährte Rechtschreibung ist modern

Hans Krieger schreibt in seinem Essay: Die Kultusminister haben versagt; gefordert sind nun die Ministerpräsidenten, gefordert sind die Parlamente. Die Kultusminister haben den Mut nicht aufgebracht, das Scheitern der Rechtschreibreform einzugestehen und das verfehlte Experiment abzublasen. Sie haben stattdessen verfügt, daß an den Schulen ab August 2005 eine höchst konfuse "Reformschreibung" als allgemein verbindlich durchzusetzen ist, die das Rad der Sprachentwicklung rückwärts gedreht und die deutsche Wortbildungsgeschichte umgekrempelt hat und obendrein zu zahllosen Grammatikverstößen zwingt. Daß nun die Ministerpräsidenten dafür sorgen müssen, den Unfug zu beenden und eine Verhunzung der Sprache abzuwehren, meint einer von ihnen, der niedersächsische Regierungschef Christian Wulff (CDU), und in seinem saarländischen Kollegen Peter Müller hat er bereits einen Mitstreiter gefunden. Eine Aufhebung der Rechtschreibreform durch die Parlamente haben zugleich fast 60 Professoren der Rechtswissenschaft in einer Petition gefordert.

Das Thema steht damit wieder auf der politischen Agenda, von der es die Kultusminister gerade endgültig abgeräumt zu haben schienen. Es verlangt nun nach tatkräftigen Entscheidungen, die einen unerträglichen Zustand beenden und das Vertrauen in die Handlungsfähigkeit der Politik wiederherstellen. Ob nun die Ministerpräsidentenkonferenz ein Umsteuern einleitet oder Länderparlamente den Ausstieg aus der Reform beschließen - die Tatkraft wird belohnt werden, denn nur 13 Prozent der Bevölkerung heißen die Rechtschreibreform gut. Ein Zurückweichen vor innovationsscheuer Trägheit wäre ein Abbruch der mißlungenen Reform allerdings nicht. Es wäre ein mutiger Schritt nach vorne, mit dem erreicht würde, was die Rechtschreibreform vergeblich anstrebte: eine nicht nur einheitliche, sondern zweckmäßige, vernünftig differenzierte, also zeitgerecht moderne Regelung der Orthographie.

Wir haben eine solche zweckmäßige Orthographie gehabt; sie hatte sich bewährt - trotz minimaler Mängel, die teils unvermeidlich sind, weil Sprache als etwas Lebendiges nicht lückenlos regulierbar ist, teils ohne den Radikaleingriff einer "Reform" mit behutsamen Retuschen zu beheben gewesen wären. Von vielleicht wohlmeinenden, aber eitlen Reformeiferern haben wir uns beschwatzen lassen, mit einem Gewaltakt umzukrempeln, was die Sprachweisheit vieler Generationen geschaffen hatte. Das konnte nicht gut gehen und ist nicht gut gegangen. Die angestrebte Erleichterung des Schreibenlernens wurde nicht erreicht, sondern uferlose Verwirrung trat ein.

Die neuen Regeln sind nicht einfacher zu begreifen als die alten; sie sind spitzfindiger und widersprüchlicher und weitgehend überhaupt nicht zu verstehen. Die völlig willkürlichen neuen Regeln für Getrennt- oder Zusammenschreibung haben viele Hunderte von Wörtern aus dem Sprachschatz getilgt; dies bedeutet den Verlust von Bedeutung, Unterscheidungen und damit Entdifferenzierung des schriftsprachlichen Ausdrucks, also kulturelle Regression. Und die Verpflichtung zu ungrammatischen, also sprachwidrigen Schreibungen gefährdet langfristig Fundamente des Sprachbewußtseins. Alle Versuche aber, durch punktuelle Nachbesserungen die gravierendsten Mängel zu beheben, haben das Chaos nur vermehrt. Niemand kennt sich mehr aus, niemand weiß, welches der einander widersprechenden Wörterbücher maßgeblich ist.

Reformbereitschaft zeigt sich in einer solchen Situation nicht im Festhalten am nachweislich falschen Weg nach dem Motto "Augen zu und durch". Wer die Rechtschreibreform beibehalten will, entscheidet sich für den sprachkulturellen Rückschritt. Er tritt für Verunsicherung beim Schreibenlernen ein, für Erschwerung des Lesens, für den Abbau der Ausdrucksdifferenzierung und für die systematische Demontage des Sprachgefühls. Er erklärt sich für die Mißachtung des Volkswillens, auch für die Mißachtung des Deutschen Bundestages, der vor sechs Jahren in einem überparteilichen Beschluß verkündet hat: "Die Sprache gehört dem Volk." 1996, als die Einführung der Rechtschreibreform beschlossen wurde, war es noch möglich, guten Gewissens für sie einzutreten, denn die Folgen waren für den Nichtfachmann noch kaum erkennbar. Heute liegen die Folgen vor aller Augen; ein Festhalten an der Reform ist nicht mehr zu verantworten. Wahre Reformbereitschaft zeigt sich in dem Willen, aus Fehlern zu lernen: sie zeigt sich in der Umkehr, im Vorwärtsschritt zu dem als besser längst Bewährten.

Zu verantworten ist ein Festhalten an der Rechtschreibreform nicht einmal vor jenen Schulkindern, die seit 1996 den Neuschrieb lernen mußten: sie dürfen nicht zu Geiseln werden, mit denen die Betreiber der mißratenen Reform die Sprachgemeinschaft erpressen. Kindern fällt das Umlernen nicht schwer; ich sage das als Angehöriger einer Generation, die im Grundschulalter von Sütterlinschrift auf lateinische Schrift problemlos umlernte. Für die jüngeren Kinder ist nur ein sehr geringer Teil ihres Wortschatzes von der Umorientierung betroffen, und die etwas älteren begegnen ohnehin Texten, die nicht in Reformschreibung gedruckt sind. Und alle erhalten eine wunderbare Gelegenheit, die Vorzüge gelobter Demokratie zu erfahren: das als falsch Erkannte kann geändert werden und wird geändert.

Und am Umlernen führt ohnehin kein Weg vorbei. Es findet ständig statt - nur eben nicht als ein Umlernen auf wieder klare Verläßlichkeiten, sondern zu wachsender Unsicherheit und Beliebigkeit. Der Duden-Auflage von 2000 ist eine andere Orthographie zu entnehmen als der von 1996; beide sind an den Schulen zugelassen. Die von der Kultusministerkonferenz abgesegneten Reform-Nachbesserungen, die die nun abgetretene Zwischenstaatliche Kommission für deutsche Rechtschreibung kürzlich in ihrem vierten und letzten Arbeitsbericht empfohlen hat, zwingen zur Änderung von mehreren tausend Wörterbucheinträgen. Und was ist, wenn in fünf Jahren der neue "Rat für Rechtschreibung" seine Änderungsvorschläge präsentiert? Es bleibt eine ewige Flickschusterei mit endlosen Nachkorrekturen und endlosem Neulernen. Nur die rasche Rückkehr zum Bewährten schafft Klarheit mit vertretbarem Aufwand. Die Mehrheit der Lesenden und Schreibenden fühlt sich ohnehin in der "alten" Schreibung zuhause, die anderen werden schnell und mit wenig Mühe in ihr heimisch, und nach einer großzügig bemessenen Übergangsphase, in der selbstverständlich die Reformschreibung nicht als falsch gewertet werden darf, ist das ganze heutige Schreibchaos eine Schauermär aus vergangenen Tagen.

Auch die Kosten brauchen nicht zu schrecken. Sofort erneuert werden müssen lediglich die Wörterbücher, und da darf man die Lexikonverlage durchaus ein wenig in die Pflicht nehmen, denn sie haben an der von ihnen mitinszenierten jahrelangen Unsicherheit kräftig verdient und zum Teil auf eine Weise verdient, die man schamlos nennen darf. Bei allen übrigen Büchern, auch Schulbüchern, kann die Umstellung bis zum Fälligwerden einer Neuauflage aufgeschoben werden. Die vorübergehende Koexistenz unterschiedlicher Orthographien kann nicht verwirrender sein als das Rechtschreibchaos, das heute der tägliche Blick in die Zeitung offenbart. Der niedersächsische Ministerpräsident hat ein Signal zur Umkehr gesetzt. Bayern mit seiner reichen literarischen Tradition, seiner dominierenden Position im Buchmarkt, seinem weithin noch intakten Wertebewußtsein und seiner wohlbegründeten Treue zum geschichtlich Bewährten hat gute Gründe, sich ihm anzuschließen. Und es kann nur einen einzigen Grund finden, dem Beispiel nicht zu folgen: Angst vor der eigenen Courage.


Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 11.07.2004

Lob für Stoibers Vorschlag auch aus der PDS

ul. BERLIN. Der Vorschlag mehrerer Ministerpräsidenten der Union, die Rechtschreibreform in der Ministerpräsidentenkonferenz auf die Tagesordnung zu setzen, um sie dann möglicherweise zurückzunehmen, hat am Wochenende durch die politischen Lager Widerhall gefunden. Die stellvertretende Bundestagspräsidentin Antje Vollmer, die kulturpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion ist, sagte am Samstag, sie unterstütze den Vorstoß. Die Rechtschreibreform habe von Anfang an "Züge von Willkür" getragen. Man könne eben die deutsche Schriftsprache nicht gegen die überwiegende Mehrheit all derer verändern, die sie, wie etwa Schriftsteller und Dichter, besonders intensiv nutzten. "Wenn die überwiegende Zahl der Menschen sagt: Es entspricht unserem Schönheitsgefühl, bei der alten Form zu bleiben, dann ist es für die Politik besser, einen Fehler zu korrigieren, als auf ihm zu beharren."

Auch der Berliner Kultursenator Thomas Flierl (PDS) rief zu einer "vorsichtigen Reform der Reform" auf. Die vorgebliche Modernität der neuen Rechtschreibung sei nichts anderes als ein "Verschleiern von Geschichte". Daß die Spuren der Vergangenheit, etwa durch die Eindeutschung von Fremdwörtern, getilgt würden, widerspreche "dem Prinzip Sprache". Auch die Zerteilung zusammengesetzter Wörter sei "ein Ärgernis", weil sie der Sprache Ausdrucksmöglichkeiten nehme. Die Ministerpräsidenten Peter Müller (CDU, Saarland), Edmund Stoiber (CSU, Bayern) und Christian Wulff (CDU, Niedersachsen) hatten zuvor vereinbart, das Thema im Oktober der Ministerpräsidentenkonferenz vorzulegen und der Konferenz der Kultusminister die Zuständigkeit dafür zu nehmen.

Die zitierte Bemerkung zum "Schönheitsgefühl" beleuchtet zwar nur einen peripheren Aspekt, und eine "vorsichtige Reform der Reform" wird das Problem ebenfalls kaum lösen können. Grüne und PDS-Positionen werden aber auf einer Ministerpräsidentenkonferenz kaum eine Rolle spielen. Der Trend ist also eindeutig positiv!


Berliner Morgenpost vom 12.07.2004

Länder gegen Rechtschreibreform
Ein Jahr vor dem Verbindlichwerden verstärkt sich die Kritik

Von Dankwart Guratzsch

Berlin - Unter den Ministerpräsidenten der Bundesländer wächst die Skepsis gegenüber der Rechtschreibreform. Das Thema soll auf die Tagesordnung der nächsten Ministerpräsidentenkonferenz Anfang Oktober gesetzt werden. Bayerns Regierungschef Edmund Stoiber (CSU), derzeit Vorsitzender der Konferenz, unterstützt einen entsprechenden Plan des niedersächsischen Ministerpräsidenten Christian Wulff (CDU). Dieser hatte die Reform zuvor kritisiert und für "abwegig" und "gescheitert" erklärt. Aus diesem Grund streben immer mehr Ministerpräsidenten an, die Kultusminister von ihrer Zuständigkeit für die Reform zu entbinden und diese auf sich selbst zu übertragen. Das Ziel ist die Rückkehr zur alten Rechtschreibung. "Ich weiß, dass von der Kultusministerkonferenz schon seit Mitte der neunziger Jahre keine Einsicht oder gar Umkehr mehr zu erwarten ist", hatte Wulff gesagt. Er sei sich mit Saarlands Ministerpräsident Peter Müller (CDU) einig, "eine parteiübergreifende Initiative" zu dem Thema zu starten. Die sozialdemokratischen Ministerpräsidenten äußerten sich nicht zu dem Thema. Dagegen hätten die CDU-Vorsitzende Angela Merkel und Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) "Verständnis" für die Initiative gezeigt. Damit ist sicher, dass die neue Rechtschreibung ein Jahr vor dem förmlichen "Verbindlichwerden" noch einmal auf höchster politischer Ebene grundsätzlich infrage gestellt wird.


Märkische Allgemeine Zeitung vom 24.07.2004:

Streit um Rechtschreibreform flammt neu auf
Politiker und Schriftsteller sind sich auch untereinander nach wie vor uneins/Walser: "Ich schreibe weiter, wie ich will."

BERLIN. Politiker und Kulturschaffende streiten weiter heftig über die Rechtschreibreform. Prominente Schriftsteller wie Martin Walser und Adolf Muschg plädierten gestern für eine Rücknahme. Auch Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) forderte zum wiederholten Mal einen Stopp der neuen Regeln. Die Präsidentin der Kultusministerkonferenz, die rheinland-pfälzische Bildungsministerin Doris Ahnen (SPD), lehnte dies erneut ab.

Der Vorsitzende des Verbandes deutscher Schriftsteller, Fred Breinersdorfer, hält eine Rückkehr zur alten Schreibweise ebenfalls für den "völlig falschen Weg". Er forderte stattdessen eine "viel weitergehende" Reform. Ahnen betonte, eine Rücknahme wäre, abgesehen von den Kosten, den Schülern nicht zumutbar. Außerdem hätten die Schulen mit den neuen Schreibweisen kein Problem. Breinersdorfer sagte, eine Rückkehr zur alten Schreibweise fände er "total verwirrend und kontraproduktiv". Da die derzeitige Reform "Flickschusterei" sei, müsse eine "richtige Rechtschreibreform" durchgesetzt werden. Bei dieser müßten auch "heilige Kühe geschlachtet" werden wie etwa bei der Groß- und Kleinschreibung.

Muschg setzte sich dagegen dafür ein, die Rechtschreibreform sofort zu stoppen. "Sie ist unnötig wie ein Kropf und hat keine Verbesserung gebracht, sondern nur mehr Unsicherheit geschaffen", sagte der Schweizer Autor. Auch Walser würde "sich freuen", wenn die Reform zurückgenommen werde. Die Idee sei aus "bürokratischem Müßiggang" geboren worden. "Ich schreibe weiter, wie ich will", kündigte er an. Wulff forderte die Bundesregierung auf, sich mit dem Ziel der Rücknahme der Reform mit den Regierungen von Österreich und der Schweiz abzustimmen. "Dann ließe sich die Sache schnell beenden", sagte er. "Die Rechtschreibung ist nicht einfacher und klarer geworden, sondern es herrscht Anarchie und Beliebigkeit."

Der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Wolfgang Böhmer (CDU), sagte, er habe die Reform von Beginn an für einen Irrweg gehalten. Der frühere Außenminister, Hans-Dietrich Genscher (FDP) betonte, man könne nur hoffen, daß die Ministerpräsidenten ihre Absicht, die "Rechtschreibreform" zur Chefsache zu machen, verwirklichten und die Sprache und Rechtschreibung endlich vom Zugriff der Kultusministerkonferenz (KMK) befreiten.

Die KMK hatte Anfang Juni einstimmig festgelegt, daß die 1995 beschlossene Neuregelung der Rechtschreibung von August 2005 an verbindlich werden soll. Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) will nach Presseberichten das Thema auf die Agenda der Ministerpräsidentenkonferenz Anfang Oktober setzen.

Auch wenn sich die Bedenkenträger weiter uneins sind, ist es für die Bundesbürger gar keine Frage. 77 Prozent halten die neuen Regeln nach neuesten Umfragen für wenig sinnvoll.

ddp

Bildzeitung zitiert Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 27.07.2004:

Bildzeitung vom 28.07.2004:

Na also!

Bildzeitung vom 31.07.2004:

Na, na, Herr Prof. Farthmann, ins Gefängnis muß man dafür sicher nicht. Aber Ihre Meinung hat einen deutlichen Nachdruck. Darin liegt der Wert der Aussage. Überhaupt bemerkt man, daß jetzt, da die Kultusminister ernst machten wollten, viele Menschen, die bislang nichts gesagt haben, sich in aller Deutlichkeit von dieser Schlechtschreibung distanzieren. So hat der Warnschuß der Kultusminister doch wohl einige erschreckt. Hätten sich diese vielen Menschen schon vorher zu Wort gemeldet, wäre der Spuk sicher schon lange aus der Welt.

Bildzeitung vom 02.08.2004:

Bildzeitung vom 03.08.2004:

Diesen Beiträgen ist nichts hinzuzufügen.
Nachfolgend macht die Bildzeitung Tests mit den Lesern:

Unten habe ich die "Lösungen" dieser "Rätsel" daneben eingetragen. Die Anschaulichkeit der Darstellung des Willküraktes "Rechtschreibreform" ist schon beinahe verblüffend. Mal ganz ehrlich - das ist keine Rechtschreibreform, mit diesem Unfug werden knapp 100 Millionen Deutschmuttersprachler aus vier Ländern veralbert, werden unzählige Freude der deutschen Sprache im Ausland verulkt, die sich schon lange fragen, ob die Erzeuger dieser "Reform" noch bei Verstand sind.

Bildzeitung vom 04.08.2004:

Bildzeitung vom 05.08.2004:

Bildzeitung vom 06.08.2004, Seite 1:


Hier der Text (im Faximile zu klein):
Hamburg - Die Wut der Deutschen über die "Schlechtschreibreform" wächst und wächst! Jetzt haben sich Mütter in einer Initiative gegen den Rechtschreib-Irrsinn zusammengeschlossen und wollen, dass ihre Kinder wieder nach den alten Regeln lernen und schreiben dürfen. Der Aufstand der Frauen - Seite 2.

Seite 2:

Hier der Text in größerer Auflösung:

Anmerkung. Lobenswert ist, daß die Bildzeitung sich dem Thema Rechtschreibung so intensiv widmet. Erwarten müßte man jedoch, daß die Redakteure nun endlich Courage zeigen und wenigstens die Beiträge zu diesem Thema in nichtreformiertem Deutsch veröffentlichen. Aber es wird über das Neudeutsche in neudeutscher Schreibweise geschimpft. Sogar die Zitate der Kritiker werden in die Schlechtschreibung umgesetzt. Das ist ein logischer Purzelbaum, den so recht niemand verstehen kann.

Übrigens: Frau Claudia Ludwig ist gleichzeitig auch die 1. Vorsitzende des Vereins lebendige deutsche Sprache e. V. Der Verein unterhält einen Internetplatz, den Sie hier erreichen können. Dort finden Sie auch weitere Informationen zur Initiative der Mütter.


ARD-Tagesschau vom 06.08.2004

"Bild" und "Spiegel" schreiben wieder alt.

Die Axel Springer AG und der Spiegel-Verlag kehren zur alten Rechtschreibung zurück. Das kündigten beide Unternehmen in einer gemeinsamen Erklärung an. Damit werden künftig Deutschlands größte Boulevardzeitung "Bild" und das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" in alter Schreibweise erscheinen. Die technische Umsetzung in den gedruckten sowie den Online-Ausgaben solle "schnellstmöglich" erfolgen. Gleichzeitig richteten die Verlage einen Appell an andere Medienunternehmen sowie an die Nachrichtenagenturen, sich diesem Schritt anzuschließen.

Ziel dieser Maßnahme sei die Wiederherstellung einer einheitlichen deutschen Rechtschreibung, kündigten beide Unternehmen in Hamburg und Berlin an. Die Reform führe zu wachsender Verunsicherung in der Bevölkerung, hieß es zur Begründung. Nach fünfjähriger Erprobung und sechs Jahren in den Schulen habe die Reform weder für professionelle Schreibende noch für Schüler Erleichterung oder Vereinfachung gebracht, teilten die Verlage mit. "Im Gegenteil: Die Verunsicherung wächst, Vermischungen von alter und neuer Rechtschreibung sind an der Tagesordnung."

Keine Reform, sondern ein Rückschritt

Der Vorstandsvorsitzende der Axel Springer AG, Mathias Döpfner, und der Chefredakteur des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel", Stefan Aust, bezeichneten die Rechtschreibreform als Rückschritt. "Uns kann es als Verlagen nicht gleichgültig sein, wenn Schreib- und Lesefähigkeit und damit die Sprachfähigkeit in diesem Land abnehmen." Die deutsche Sprache brauche keine kultusbürokratische Überregulierung. Die geschichtliche Erfahrung über Jahrhunderte zeige, dass Sprache sich evolutionär weiterentwickele.

Die zum Spiegel-Verlag und zu Axel Springer gehörenden Titel erreichen nach Angaben der beiden Verlage rund 60 Prozent der Bevölkerung in Deutschland. Bisher war die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" als einzige überregionale deutsche Zeitung im Juli 2000 zur alten Rechtschreibung zurückgekehrt. Die meisten deutschen Medien hatten die Rechtschreibreform im Sommer 1999 übernommen. Die neue Rechtschreibung wird nach den Beschlüssen der Kultusminister im nächsten Jahr verbindlich in Kraft treten.

Bildzeitung vom 09.08.2004:

Der Volksprotest wächst. Man sieht das auch am Umfang, den die teitungen dem Thema widmen. Zu Anfang hatte ich mit den Faximiles keine Probleme. Ein wenig später paßten die Beiträge nicht mehr auf die Scannerfläche, so daß ich stückeln mußte. Jetzt aber passen sie nicht mehr auf den Bildschirm, ohne die Lesbarkeit zu verlieren. Ich beschränke mich deshalb nun auf die Schlagzeilen in leicht verkleinerter Form.







Wochenzeitschrift "Mini" vom 18.08.2004:

Hier sieht man's wieder: Frau Ahnen steht mit ihrem populisitschen Zweckoptimismus beinahe allein. Aber wie denn nun? Ändert sich's nun nicht mehr oder werden noch weitere Schreibmöglickeiten "erlaubt"? Das müßte sie nun bald mal wissen. Mit dieser Pseudologik kommt niemand klar. Es ist eine Aussage, wie die Reform selbst: Chaos, Chaos!

Unten links fehlt aber ein wichtiger Hinweis. Die Rücknahme soll 350 Mio. kosten. Das wage ich zu bezweifeln, es ist eine Zahl, mit der man die Reformgegner schrecken will. Richtig hingegen ist, daß die Fortführung der Reform ein vielfaches davon kosten wird, denn es müssen fortlaufend die vielen Änderungen, die nach Aussage von Frau Ahnen noch ausstehen, in die Sprachbücher und die Schulmaterialien eingearbeitet werden. Wann man damit einmal fertig sein wird, steht in den Sternen.

Schluß jetzt! Nehmt dieser Frau, die von der deutschen Sprache so gut wie nichts versteht, endlich das Beil aus der Hand, mit dem sie unser Volksgut Sprache kurz- und kleinhacken will!

Bildzeitung vom 08.09.2004:

Man kann sich hier überzeugen, daß die Bildzeitung mühelos in der Lage ist, Autorenbeiträge unverfälscht in ordentlichem, nichtreformiertem Deutsch zu veröffentlichen. Die Frage ist nun, worauf denn die Zeitung noch wartet, um die angekündigte Umstellung auf das nichtreformierte Deutsch in der ganzen Zeitung durchzusetzen.

Bildzeitung vom 23.10.2004:

Danke Frau Jelinek.
Dank auch an die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung. Wir benötigten noch viel mehr so konsequente Einrichtungen, damit die Ministerpräsidenten der Länder vielleicht doch noch begreifen, wofür sie nicht im geringsten zuständig sind.

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Loriot und die Rechtschreibreform

Nachdem Loriot an anderer Stelle auf seine Art zur Rechtschreibreform Stellung genommen hatte, indem er sagte: "Die Rechtschreibreform ist doch ganz in Ordnung, wenn man weder lesen noch schreiben kann", hat er sich nun nochmals eindeutig gegenüber der Bildzeitung artikuliert. Die Märkische Allgemeine Zeitung zitiert ihn von dort. Kommentare sind hier wohl überflüssig.

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Auch unsere Kinder warten, bis der
Spuk vorbei ist und meinen vorerst:

"Auf einen Blick", Nr. 32/2004

Bildzeitung vom 09.08.2004