bearbeitet: 22.11.2022
Die grammatischen Genera der deutschen Sprache
in ihrem historisch gewachsenen Aufbau
Mit den heute in sich widersprüchlichen Versuchen, die deutsche Sprache einerseits gendergerecht und andererseits
genderneutral umzugestalten, wird ein Kernirrtum in den Auffassungen mit ideologischem Nachdruck festzuschreiben
versucht. Er besteht darin, die grammatischen Genera maskulin und feminin mit den biologischen Geschlechtern der
mit ihnen benannten Personen gleichzusetzen. Es muß jedoch mit ebensolchem Nachdruck immer wieder gesagt
werden, daß dies nicht richtig ist, daß es vielmehr dem Aufbau des Regelwerkes der deutschen Grammatik zuwiderläuft.
Die grammatischen Genera sind nicht mit den biologischen Geschlechtern identisch. Der Irrtum fußt folglich auf der
Unkenntnis einer Minderheit der deutschen Sprachgemeinschaft über Inhalt und Bedeutung der grammatischen Genera.
Insbesondere das maskuline Genus verfügt über zwei unterschiedliche Bedeutungen:
a) es kann eine männliche Person benannt werden,
b) es kann ein Status benannt werden, der keine Person benennt.
Durch das Genderdeutsch wird die Bedeutung b) zu ignorieren versucht, das generische Maskulinum wird ausschließlich
als Benennung männlicher Personen interpretiert. Wegen dieser Kenntnisdefizite bei ihren Verfechtern sind jene bestrebt,
die zweite Bedeutung abzuschaffen. Dadurch würde aber im Deutschen eine sehr große Zahl Ausdrucksweisen verlorengehen.
Das folgende Formulierungsbeispiel soll das verdeutlichen.
"Sie hat 6 Jahre Medizin studiert, sie hat alle Examen bestanden, nun ist sie Arzt."
Diese Ausdrucksweise soll es nicht mehr geben dürfen, es müsse in diesem Satz stets Ärztin heißen, denn der Arzt
sei ein Mann. Damit wird die Bedeutung der Arzt als Beruf, der nicht nur männlich besetzt ist, also kein Geschlecht
benennt, als ungültig angesehen. Die Argumentation der Genderbefürworter lautet: Der Arzt erzeuge männliche Bilder.
Das ist jedoch eine einseitige, ideologisierte Ansicht, die mit den Regeln der deutschen Grammatik nicht konform ist. Durch
diese Versimplifizierung der Bedeutung werden vielfältige Ausdrucksmöglichkeiten durch eine Minderheit in Zweifel
gezogen, es wird ihre Abschaffung gefordert zugunsten der unablässigen Formulierung Ärzte und Ärztinnen.
So gibt es schlußendlich nicht mehr die Berufsbezeichnungen
der Arzt, Polizist, Elektriker, Maler, Busfahrer, Schriftsteller, Landwirt etc. pp.
und im weiteren auch nicht mehr die Statusbezeichnungen
der Politiker, Volksvertreter, Diplomat, Verwalter, Jurist, Richter, Anwalt, Künstler, Musiker, Ingenieur, Professor,
Dozent etc. pp.,
mit denen keine Personen, sondern gesellschaftliche Funktionen oder Zuerkennungen benannt werden. Durch die
bedingungslose Co-Nennung explizit weiblicher Formen auf -in und -innen wird der Fehler von den
"männlichen Bildern" suggestiv festgeschrieben. Die nichtpersonifizierte Bedeutung des grammatischen Genus maskulin
wird durch die ausnahmslose Nennung in Kombination mit Formen des grammatischen Genus feminin in eine ausschließliche
Personenbenennung umgewandelt, die Möglichkeit der Statusbenennung mit Hilfe des generischen Maskulinums wird
aus der Sprache entfernt.
Außerdem wird völlig außer acht gelassen, daß in allen deutschen Pluralformen die gesonderten femininen Ergänzungen
zu Tautologien führen, weil im Deutschen ausnahmslos alle Pluralformen agenuin sind, heißt, sie bilden keine Geschlechter
ab, so daß keinerlei Notwendigkeit für speziell zu generierende feminine Ergänzungen besteht.
Mit diesen sprachlichen Änderungsbestrebungen läßt sich eine Vielzahl an Ausdrucksmöglichkeiten, die mit dem generischen
Maskulinum in einfacher Weise zu bewältigen sind, nur noch mit komplizierten, aufgeblähten, umschreibenden Textfassungen
darstellen. Ein Beispiel:
"Angela Merkel war der achte Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland."
Die an dieser Stelle von der Gendergrammatik bedingungslos geforderte Formulierung
"Angela Merkel war die achte Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland"
ist jedoch falsch, denn der Ausdruck die Bundeskanzlerin ist weiblich, sie kann nicht als agenuine Ausdrucksform
identifiziert werden. Somit müßten die anderen sieben Bundeskanzler ebenfalls Frauen gewesen sein. Der beabsichtigte
Inhalt der zuerst getroffenen Formulierung kann mit der Gendergrammatik nicht mehr ausgesagt werden. Auch die
ungepflegten, orthographiewidrigen Schreibweisen mit Schrägstrich, Stern, Doppelpunkt oder anderen Genderzeichen
heben das Problem nicht auf, sie führen lediglich zur Verunstaltung des Schriftbildes der Sprache und schränken die flüssige
Lesbarkeit des Textes ein.
Das grammatische Genus Maskulin in seiner historisch entstandenen nichtpersonifizierten Bedeutung ist folglich ein
unverzichtbar notwendiges Idiom in der deutschen Sprache. Das Vorantreiben seiner Abschaffung führt zu einer
erheblichen Verringerung sprachlicher Ausdrucksmöglichkeiten und ist deshalb sprachwissenschaftlich nicht vertretbar.