bearbeitet: 25.11.2004     

Die Union meldet sich zu Wort

Die Bildzeitung vom 23.11.2004 druckt auf Seite 1 unten folgenden Beitrag:

Das klingt zunächst einmal sehr gut. Was aber ergibt sich, wenn man etwas genauer hinsieht? Nachfolgend sehen Sie eine Tabelle mit allen Ministerpräsidenten der 16 deutschen Bundesländer.

Die Regierungschefs der Länder
Baden-Württemberg Ministerpräsident Erwin Teufel CDU
Bayern Ministerpräsident Dr. Edmund Stoiber CSU
Berlin Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit SPD
Brandenburg Ministerpräsident Matthias Platzeck SPD
Bremen Bürgermeister Dr. Henning Scherf SPD
Hamburg Erster Bürgermeister Ole von Beust CDU
Hessen Ministerpräsident Roland Koch CDU
Mecklenburg-Vorpommern Ministerpräsident Dr. Harald Ringstorff SPD
Niedersachsen Ministerpräsident Christian Wulff CDU
Nordrhein-Westfalen Ministerpräsident Peer Steinbrück SPD
Rheinland-Pfalz Ministerpräsident Kurt Beck SPD
Saarland Ministerpräsident Peter Müller CDU
Sachsen Ministerpräsident Prof. Dr. Georg Milbradt CDU
Sachsen-Anhalt Ministerpräsident Prof. Dr. Wolfgang Böhmer CDU
Schleswig-Holstein Ministerpräsidentin Heide Simonis SPD
Thüringen Ministerpräsident Dieter Althaus CDU


Und das sind die Regierungschefs, zeilenweise von oben nach unten der obigen Tabelle entsprechend.

Wie man oben sehen kann, gehören 9 von Ihnen der CDU/CSU an. Das ist eine Mehrheit von 56%. Und das ist genau das Forum, das am 08.11.2004 die Einführung der Rechtschreibreform zum 01.08.2005 beschlossen hat.

Da fragt man sich doch nun ernsthaft, ob denn alle 9 CDU/CSU-Ministerpräsidenten Renegaten ihrer Partei sind. Die Unionsfraktion, so Frau Merkel, ist einstimmig der Meinung, daß die Reform gestoppt werden muß.
Die Ministerpräsidenten, die das mit ihrer Mehrheit mühelos in der Ministerpräsidentenkonferenz hätten durchsetzen können, beschließen genau das Gegenteil.
Welches Gewicht muß man denn nun Frau Merkels Worten zuordnen? Heiße Luft? Populistisches Getöse? Hier gibt es ganz sicher einen großen Erklärungsbedarf. Man muß den
Deutschen, die mit überwätigender Mehrheit diese Reform endlich beseitigt haben möchten, nun bald einmal die Wahrheit sagen. Dazu muß man zunächst glaubhaft klarstellen, daß es ernst gemeint ist, wenn die Unionsfraktion gegen die Ministerpräsidenten aus ihren Reihen vorgeht. Ohne diese Klarstellung gewinnt man nämlich den Eindruck, daß das Volk belogen wird. Nichts als große Worte aus wahltaktischen Gründen. Man fühlt wohl die große Mehrheit des Volkes, die man mit solchen Sprüchen gewinnen möchte.

Wir warten auf Klarstellung, Frau Merkel. Und vor allem auf Taten. Geredet wurde in ähnlicher Weise bereits mehrmals. Geschehen ist noch gar nichts. Im Gegenteil. Die Ministerpräsidenten der Union legen beredtes Zeugnis davon ab, daß durch ihr Eingreifen die unsägliche Schlechtschreibreform wohl niemals gestoppt wird.

Und nun will ich nach diesen Feststellungen noch etwas tiefer hineinschauen und den Unionsantrag in seinem Wortlaut betrachten. Der Antrag lautet:

„Der Deutsche Bundestag bittet deshalb die Kultusminister der Länder,

Was kann man aus diesem Antrag nun erkennen?

Zuerst fällt auf, daß der Antrag artig in reformiertem Deutsch geschrieben ist, wie man das von braven Bundestagsabgeordneten zu erwarten hat. Es ist, als ob ein notorischer Säufer mit dem Schnapsglas in der Hand gegen alkoholische Getränke wettert. Hier offenbart sich bereits, daß der ganze Antrag nicht so ernst gemeint ist. Er ist und bleibt ein populistisches Manöver einer Fraktion auf Dummenfang.

Und noch etwas fällt ins Auge: Die Rücknahme der Reform wird an keiner Stelle gefordert. Glaubt man in der Union denn immer noch, die Reform sei noch zu retten? Glaubt man wirklich, dieses Pfuschwerk könne man "auf eine breite gesellschaftliche Basis" stellen? Lebt man in der Illusion, man könne eine "gesellschaftliche Akzeptanz" erzielen? Ich gehe nicht davon aus, daß die Unionspolitiker nicht wissen, wie es um die Reform steht. Ergo: Erneut wird das Volk vorsätzlich und bewußt belogen.

Im Falle von Ehrlichkeit hätte man das ganze viel kürzer so formuliert: "Wir schließen uns dem Gruppenantrag der 45 Abgeordneten an." Und Ende! Dieser Antrag lautet:

„Für die amtliche Schreibung gilt ab dem 1. August 2005 wieder die Rechtschreibung in ihrer Form vor Einführung der Neuregelung. Die für die Rechtschreibung zuständige Arbeitsgruppe der Kultusministerkonferenz wird aufgelöst.“

Das ist nicht nur klar und eindeutig, es ist auch der einzig gangbare Weg zur Beseitigung der gegenwärtigen Misere. Die Mätzchen der Union sind längst als als das entlarvt, was sie in Wahheit sind: Politsche Manöver zur Durchsetzung der Profitinteressen der Medienkonzerne auf Kosten der Sprache unseres Volkes.