Ein Brief an das BMBF

Beelitz, 14.12.2005

Dr. Manfred Pohl
Robert-Koch-Str. 5
14547 Beelitz
Tel. 033204 40015
Fax 033204 40016
Mail: UniPohl@aol.com


An das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF)

Sehr geehrte Damen und Herren,

am 12.12.2005 - 19.09 Uhr hatte ich über das Internetraster auf dem Platz der Bundesregierung
http://www.bundeskanzlerin.de/bk/Navigation/Service/kontakt.html
den nachfolgenden Brief an die Bundeskanzlerin, Frau Dr. Angela Merkel, gesendet:

****************************************

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,

etwa ein Jahr, bevor Sie Bundeskanzlerin wurden, hatten Sie öffentlich geäußert, daß sie im Falle eines Wahlsieges die unsägliche sogenannte Rechtschreibreform beenden werden. Nun sind Sie Bundeskanzlerin und nichts ist bisher geschehen. Noch immer maßt sich ein Rat für deutsche Rechschreibung an, dem deutschen Volk wider besseres Wissen und unter Verlust jeglicher Achtung vor der Geschichte und der Tradition der deutschen Sprache eine Schriftsprache aufzwingen zu wollen, die in jeder Hinsicht eine gewachsene deutsche Volkskultur zerstört. Das deutsche Volk wird in zwei Teile gespalten, eine Minderheit, der man mit administrativen Mitteln - Dienstweisungen, Restriktionen und Repressalien bei Widerspruch - diese Schlechtschreibung aufzwingen kann, und eine überwältigende Mehrheit, die sich diesem Anschlag auf die deutsche Sprache widersetzt. Wann endlich wird mit dem Hickhack um eine Grundsäule der deutschen Kultur Schluß sein, der ausschließlich zum Wohle der Profitgier einiger Medienkonzerne betrieben wird?

Wir können unter diesen Voraussetzungen nicht erwarten, daß an den Schulen in Deutschland endlich wieder die Erziehung zu höherem Sprachbewußtsein vorangebracht wird, weil auch Lehrer nicht mehr wissen, wie denn nun richtig geschrieben wird.

Stehen Sie bitte zu Ihrem Wort und lassen Sie ihm nun Taten folgen!

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Manfred Pohl
4547 Beelitz
Tel. 033204 40015
unipohl@aol.com

****************************************

Am 13.12.2005 - 13.50 Uhr habe ich die folgende Antwort von Herrn Duwe,
internetpost@bundesregierung.de erhalten:

Re: Bundeskanzlerin.de Kontaktformular:
Nachricht von Manfred Dr. Pohl - BPA-ID: [wPTpkEoRizI=]

Sehr geehrter Herr Dr. Pohl,

vielen Dank für Ihre E-Mail zum Thema Bildungspolitik an Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel.

Leider ist es wegen der Vielzahl der an Frau Dr. Merkel gerichteten E-Mails und Schreiben nicht möglich, Ihnen individuell zu antworten. Ich würde mich freuen, wenn Sie dafür Verständnis haben.

Nach der Aufgabenverteilung innerhalb der Bundesregierung ist das Ministerium für die Bearbeitung von Anfragen und Stellungnahmen zuständig, in dessen Aufgabenbereich das Anliegen fällt.

Für viele Themenbereiche und Fragestellungen hat die Bundesregierung ein umfangreiches Informationsangebot entwickelt, das Ihnen einen schnellen Zugriff auf unser Wissen ermöglicht. In Ihrem Fall möchte ich Ihnen dazu den Internetlink
http://www.bundesregierung.de/Politikthemen/-,12408/Bildung-und-Wissenschaft.htm empfehlen.

Sollten Sie hier die gewünschten Informationen bzw. Klärungen nicht finden, möchte ich Ihnen raten, sich mit Ihrem Anliegen direkt an das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) zu wenden. Sie können das Ministerium per E-Mail über
bmbf@bmbf.bund.de erreichen.

Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrag

Peter Duwe

___________________________
Presse- und Informationsamt
der Bundesregierung (BPA)
Referat Bürgerservice

****************************************

Auf dem angegebenen Internetplatz habe ich keine befriedigende Antwort auf meine Frage gefunden. Weniger noch. Ich habe meine These, daß die ganze Reform nur zur Befriedigung der Profitinteressen der Medienkonzerne betrieben wird, bestätigt gefunden:

Am 28.08.2004 erschien nun die 23. Auflage des Neuen Duden, obwohl klar war, daß längst nicht alle Probleme um die Reform geklärt waren. So wirft man Auflage für Auflage Millionenbeträge buchstäblich zum Fenster hinaus, da von vornherein bekannt ist, daß sie spätestens mit der darauf folgenden Sitzung des Rates für Deutsche Rechschreibung wieder nutzlos und unbrauchbar ist.

Aber auch dieser Rat ist nicht imstande, die einzig vernünftige Entscheidung zu fällen, die in der Rückkehr zur deutschen Rechtschreibung vor der Reform bestünde. Alle in die Reform involvierten Gremien und Personen sind so versessen darauf, an der deutschen Sprache herumreformieren zu müssen, daß sie gar nichts anderes mehr denken können. Man will die Reformkritiker mit dem Argument zum schweigen bringen, die Rückkehr koste große Geldsummen. Jedem ist jedoch klar, daß die ständige Verschlimmbesserung der Rechtschreibung und die fortwährenden Änderungen aus der Zwangseinsicht in die Erkenntnis immer weiterer Mängel der Reform ein Vielfaches davon kosten werden.

Die Meinung der Reformkritiker - und das ist die Mehrheit aller Deutschen - ist ganz knapp zu formulieren. Diese Rechtschreibreform, die das gesamte bisherige Regelwerk verwerfen und durch ein anderes, in der Gesamtheit unbrauchbares ersetzen will, ist Respektlosigkeit und Verlust jeder Achtung vor der Tradition und der Geschichte der deutschen Sprache.

Es ist die Arroganz einer verschwindend kleinen Minderheit, zu glauben, sie allein sei berufen, den Deutschen eine andere Rechtschreibung zu diktieren. Der politische Schaden, den dieses Werk anrichtet, ist offengelegt: Das Volk wird gespalten. Die Mehrheit läßt sich das reformierte Deutsch nicht aufzwingen. Auch kenne ich keinen namhaften deutschen Schriftsteller, der es verwendet. Und von der Minderheit, die nach den Reformregeln schreibt, ist ein beträchtlicher Teil nur unter Zwang dazu übergegangen. Etwa 250 deutsche Presseorgane verwenden das reformierte Deutsch nicht, ein Teil davon hat es nie verwendet, ein anderer Teil ist nach einer Erprobungszeit wieder davon abgerückt.

Es ist überdies vermessen, das reformierte Deutsch "Neue" deutsche Rechtschreibung zu nennen, denn es sollen Schreibweisen wiedereingeführt werden, die bereits im 17. und im 18. Jahrhundert durch die natürliche Sprachentwicklung ausgestorben sind. Es ist also keine neue, sondern die älteste Rechtschreibung, die man sich denken kann. Mit einem Satz: Die ganze Reform ist ein Anschlag auf die deutsche Sprache.

Und nun frage ich Sie, was soll denn nun werden? Wir brauchen die Wiedervereinigung des deutschen Volkes. Wir brauchen die wiederhergestellte, einheitliche deutsche Rechtschreibung, damit die Sprachgemeinschaft wieder auf eine einheitliche Basis für alle gestellt wird. Der gegenwärtige Zustand ist ein Chaos, das durch weiteres Herumoperieren an dem insgesamt untauglichen Reformierungsversuch nicht aufgehoben werden kann. Alle Äußerungen, die Reform habe sich gut bewährt, würde von der jungen Generation angenommen, habe Vereinfachungen gebracht, sei leichter erlernbar und andere, sind eine Art Selbstbeweihräucherung derer, die sich von dem verunglückten Projekt nicht mehr lösen können.

Ich bin überzeugt, daß ich an dieser Stelle nicht auf Einzelheiten des entstandenen Sprachwirrwarrs der Reform eingehen muß. Große Mengen an Beispielen dafür sind auf meinem Internetplatz www.unipohl.de nachzulesen.

Von einem deutschen Bildungsministerium erwarte ich die Kompetenz und die Klarheit, den Schaden dieser Reform zu erkennen und zu seiner Abwendung zielgerichtete Schritte zur Annullierung der Reform zu gehen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Manfred Pohl

Am 03.01.2006 habe ich eine Antwort von Herrn Dr. Andreas Paetz, BMBF, erhalten, dem ich auch geantwortet habe. Beides gebe ich nachfolgend zur Kenntnis.

Das Schreiben von Herrn Dr. Andreas Paetz:

Sehr geehrter Herr Dr. Pohl,

vielen Dank für Ihre E-Mail vom 14. Dezember 2005 an das Bundesministerium für Bildung und Forschung.

Aufgrund der föderalen Struktur in der Bundesrepublik Deutschland und der daraus resultierenden Verantwortung der Länder für den schulischen Bildungsbereich ist nicht die Bundesregierung für die Rechtschreibreform und deren Umsetzung verantwortlich. Die Reform der Rechtschreibung wurde in Deutschland von der Kultusministerkonferenz beschlossen. Auch der weitere Verlauf der Gestaltung der Rechtschreibreform fällt in die Zuständigkeit der KMK. Die Länder entscheiden über die Einführung der Rechtschreibreform und deren Verbindlichkeit. Bestimmt haben Sie aus den Medien erfahren, dass zum 1. August 2005 vierzehn Länder die Reform verbindlich einführten, während Bayern und Nordrhein-Westfalen die Veränderungsvorschläge des von der Kultusministerkonferenz eingesetzten Rates für Rechtschreibung abwarten wollen.

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung hat aufgrund der verfassungsrechtlichen Lage keine Möglichkeit, auf die Gestaltung der Rechtschreibreform einzuwirken.

Ich bitte Sie deshalb, sich mit Ihren Darlegungen zur Rechtschreibreform an das Kultusministerium des Landes Brandenburg bzw. an das Sekretariat der Kultusministerkonferenz, Lennéstr. 6, 53113 Bonn, www.kmk.org, presse@kmk.org zu wenden.

Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrag
Dr. Andreas Paetz
----------------------------------------------------------------------



Meine Antwort:

Beelitz, 03.01.2006

Dr. Manfred Pohl
Robert-Koch-Str. 5
14547 Beelitz
Tel. 033204 40015
Fax 033204 40016
Mail: UniPohl@aol.com


Bundesministerium für Bildung und Forschung
Referat 211 "Zukunft Bildung"
Dienstgebäude Friedrichstraße 130b, 10117 Berlin
Postanschrift: 10115 Berlin
Tel.: (030) 28540-5224
oder 01888-57-5224
Fax: 01888-57-85224

Ihre Mail vom 22.12.2005 - 08.54 Uhr

Sehr geehrter Herr Dr. Paetz,

ich danke Ihnen für die Beantwortung meines Schreibens vom 14.12.2005 zum Problem der Rechtschreibreform. Ich war erfreut, überhaupt eine Antwort zu erhalten. Das ist das Positive, das ich erwähnen möchte.

Der Inhalt Ihres Schreibens ist jedoch niederschmetternd, auch wenn Sie als ein Bundesministerium und auch Sie persönlich daran ganz sicher keine Schuld tragen.

Hier liegt in Deutschland etwas im Argen, was zur Zerstörung der deutschen Sprache führt: Die Rechtschreibreform wird stets im Zusammenhang mit der Schule behandelt. Das jedoch ist völlig falsch, denn sie betrifft jeden Deutschen. Die Rechtschreibreform ist eine Angelegenheit der deutschen Sprache und nicht nur der Schulen. Für beides kann es keine zusammengelegte Verantwortlichkeit geben. Die Schule läßt sich administrieren, die deutsche Sprache nicht. Das sehen wir an der bereits jetzt eingetretenen Spaltung des deutschen Volkes in zwei Lager: Eine Minderheit, der man mit administrativen Mitteln die Reform aufzwingen kann - Behörden, öffentliche Einrichtungen, die Hauptleidtragenden sind die Kinder in unseren Schulen - und eine überwältigende Mehrheit, die sich der sogenannten Reform widersetzt und sie nicht verwendet - so gibt es zum Beispiel keinen namhaften deutschen Schriftsteller, der reformiert schreibt, so gibt es zum Beispiel ca. 250 deutsche Presseorgane, die die Reform nicht verwenden und viele andere Persönlichkeiten, Gruppierungen und Institutionen, die sich durch intensives Studium der reformierten Orthographie von ihrer Mißqualität überzeugt haben.

Wenn wir unsere Sprache aber in die Verantwortung der Länderregierungen stellen, fallen wir zurück in die Zeit der Kleinstaaterei vor Bismarck. Es gibt dann langfristig keine einheitliche deutsche Sprache mehr. Die deutsche Hochsprache, die in vieler Hinsicht mit der Schriftsprache im Zusammenhang steht, wird in Landesteilsprachen zerfallen und so nicht mehr existieren. Dies ist ein Grundfehler deutscher Kulturpolitik. Wie wir sehen, hat die Zerstörung bereits begonnen, Sie hatten es erwähnt: 14 Länder betreiben die Reform offiziell, 2 nicht. Die Sprache und ihre Pflege gehört in die Verantwortung der höchsten Stellen der Bundesrepublik Deutschland. Auch die KMK, an die ich mich in erster Instanz gewendet hatte, und zu der Sie mich nun kreisschließend zurückverweisen, hat das nicht verstanden. Kein Gremium, keine Gruppierung, keine Einzelpersonen sind autorisiert, die Gesamtheit des orthographischen Regelwerkes unserer Sprache umzustoßen und durch ein anderes zu ersetzen.

Und noch ein Problem ist durch das Versagen der föderalen Strukturen zu den Fragen der Sprache in Deutschland entstanden. Durch die großen Verwirrungen, die die Rechtschreibreform wegen ihrer sprachzerstörenden Wirkung und der fortwährenden Korrekturen der gröbsten festgestellten Mängel ausgelöst hat, haben die Schulen aufgehört, spracherzieherisch wirksam zu werden und bei den Heranwachsenden Sprachbewußtsein und Stolz auf die Muttersprache zu wecken. Die Lehrerschaft kann selbst nicht mehr wissen, wie denn nun richtig geschrieben werden soll. Sie hat bereits resigniert. Ich weiß wovon ich rede, ich bin an einem Gymnasium beschäftigt und habe auch Enkel, bei denen ich das beobachten kann. Im Zusammenhang damit nimmt auch niemand mehr Einfluß auf das Zurückdrängen des ungebremsten Ersatzes deutscher Wörter durch englische Pseudobegriffe und damit ein fremdsprachliches Überschwemmen des Deutschen.

Deshalb rufe ich Sie auf, die Verantwortung für diese Aufgabe auch im Bundesministerium für Bildung und Forschung erkennbar zu machen, sich zu engagieren und sich nicht aus dem uns alle berührenden Problem herauszuhalten, indem Sie die strukturell bedingten Fehlleistungen unseres Systems als Begründung für Untätigkeit deklarieren. Sicher ist Ihnen der Zusammenhang bewußt, daß mit dem Untergang einer Sprache auch das Volk untergeht, das diese Sprache spricht.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Manfred Pohl