bearbeitet: 13.04.2019    

Benedikt und der Kindesmißbrauch

Der einstige Papst Benedikt XVI. meldet sich aus dem Hinterhof des Klerus zu Wort und intoniert eine fragwürdige Predigt zum Thema Kindesmißbrauch in der katholischen Kirche.

Die Liberalisierung der Sexualität, meint er, die sexuelle Revolution der 1968er Jahre und die Säkularisierung der westlichen Gesellschaft sei für den sexuellen Mißbrauch von Kindern in der katholischen Kirche verantwortlich.

Das verwundert zunächst einmal nicht. Bewegt er sich doch damit in den Grenzen der deutschen Üblichkeiten: Wenn jemand Verfehlungen begeht, muß man doch immer erst einmal schauen, ob man nicht die Schuld dafür bei jemand anderem unterbringen kann.

Benedikt führt die Krise vor allem auf außerkirchliche Entwicklungen zurück. Er benennt dazu die Liberalisierung der Sexualität und die "Abwesenheit von Gott in der heutigen Gesellschaft". Eine Welt ohne Gott sei eine Welt ohne Moral: "Es gibt dann keine Maßstäbe des Guten oder des Bösen."

Skurril! Hat nicht gerade die "Welt mit Gott" in der katholischen Kirche zu massenhaftem Mißbrauch von Kindern geführt? Ist das etwa die Unterscheidung von Gut und Böse in der katholischen Kirche? Von den Machtstrukturen, die Franziskus immer wieder als Grund für Mißbrauch anführt, findet man bei Benedikt keinen Beitrag.

Die Revolution von 1968 habe "völlige sexuelle Freiheit" erkämpfen wollen, "die keine Normen mehr zuließ", schreibt der Ex-Papst. "Zu der Physiognomie der 68er Revolution gehörte, dass nun auch Pädophilie als erlaubt und als angemessen diagnostiziert wurde." Nun, dieser Maxime hat sich ja die katholische Kirche ohne Zweifel bedingungslos verschrieben und sie in die Grundsätze ihres praktischen Handelns übernommen. Solche Kritik geht also, wie man sieht, nach hinten los.

In den Jahren von 1960 bis 1980 seien "die bisher geltenden Maßstäbe in Fragen der Sexualität vollkommen weggebrochen" und eine "Normlosigkeit entstanden, die man inzwischen abzufangen sich gemüht hat". Nun, die Bemühungen um ein Abfangen kommen aber doch wohl gerade nicht aus der katholischen Kirche. Im Gegenteil, über alle Maße hinaus hat sie versucht und versucht es zum Teil immer noch, die Aufdeckungen aller Mißbrauchsfälle zu unterlaufen. Und die Beurteilung der Normen der Sexualität durch einen Zeitgenossen, der zweifellos durch die kirchlichen Doktrinen dafür gesperrt ist, darf man wohl nicht sehr hoch bewerten. Solange man mit widernatürlichen Haltungen katholischen Geistlichen den Ehestand verbietet, kann man nicht erwarten, daß sie sich qualifiziert darüber zu äußern vermögen.